(Bild-Ausschnitt: „Die Sieben Todsünden und Die vier letzten Dinge“ – Hieronymus Bosch. Kommentar zum Bild-Ausschnitt: „Hochmut“ – im Mittelalter oft als „Hoffart“ bezeichnet – wird dargestellt als eine Frau, die keinen Blick für ihre Umgebung und schon gar nicht für den Betrachter übrig hat. Sie wendet ihm den Rücken zu. Vor ihr befindet sich ein Hausaltar, der geschlossen ist. Ihr Blick gilt ausschließlich einem Spiegel, den ihr ein teuflisches Wesen hält. Zum vollständigen Bild klicken Sie -> hier )

Traditionell gilt der Hochmut oder Stolz als das schwerste unter den Lastern[1] bzw. unter den sieben „Todsünden“, vor allem weil er die Quelle vieler anderer, abgeleiteter Sünden ist. Das gilt generell für die eher „geistigen“ Laster (Hochmut, Neid, Habsucht, Zorn), die gegenüber den im engeren Sinne „fleischlichen“ (Völlerei, Wollust) die größere Zerstörungskraft haben. Dabei kommt der Trägheit eine Art Mittelposition zu.

Darf man nicht mal stolz sein…?

Nun mag man sich fragen: Was ist so schlimm an der „Superbia“? Wollen wir nicht alle irgendwie „super“ sein, über Anderen stehen, jedenfalls herausragen? Und gibt es nicht guten Grund stolz zu sein, wenn man etwas Großes erreicht hat? Loben nicht Eltern ihre Kinder für Erfolge mit den Worten „ich bin stolz auf Dich“? Offenbar hat das Wort „Stolz“ unterschiedliche Konnotationen; zur Klärung hilft es, den traditionellen Begriff „Hochmut“ zu verwenden.

Der hat keine positiven Aspekte, so dass es nicht zu Missverständnissen kommt. Aber wiederum stellt sich die Frage, „wieso das so schlimm sein soll“. „OK“, wird man sagen, „Hochmut ist nichts Schönes, aber ‚Hochmut kommt vor dem Fall‘ sagt man doch so, und todeswürdig oder tödlich ist das ja nun nicht, also macht kein Drama daraus…“.

Gerade wegen der Möglichkeit (und Neigung) der Menschen, sich den Hochmut schönzureden, ihn nicht ganz so ernst zu nehmen, haben Theologen und Philosophen durch die Jahrhunderte eben jene  wertende Abstufung unter den Lastern vorgenommen und dem Hochmut den unrühmlichen ersten und schlimmsten Platz zugewiesen.

Das Ich als Mitte der Welt

Hochmut in diesem Sinne bedeutet, sich über alles zu stellen, nicht nur über die Mitmenschen, Familie, Freunde, Kollegen, sondern auch über die „Werte“, letztlich über Gott. Hochmut/superbia ist die äußerste Form des Egozentrismus. Der Hochmütige maßt sich eine extreme und dadurch rücksichtslose Autonomie an; er entscheidet nach eigenem Dafürhalten was gut oder böse ist, und das Maß aller Dinge ist er selbst. Das ist im Übrigen schon die Kern-Aussage der Geschichte vom Sündenfall im Alten Testament[2]: Der Mensch will in der Folge selbst über Gut und Böse befinden. So steht diese Hauptsünde schon ganz am Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen.

Nun wird kaum jemand so von sich selbst reden, dass er ausdrücklich für sich das Recht des göttlichen Gesetzgebers reklamiert, zumal in unserer säkularisierten Gesellschaft für Gott ohnehin kaum mehr Platz zu sein scheint.Vielmehr kommt in der Alltagswirklichkeit der Hochmut oft im Gewande wohlklingender Reden daher, sogar als Moral und Weltverbesserung getarnt.

So mythisch fern die Sündenfallsgeschichte auch zu sein scheint, ihre innere Wahrheit ist höchst aktuell. Schließlich leben wir in einer Periode der Geschichte, in der eine absolute und nicht hinterfragbare Autonomie des Menschen als Ideal gilt. Das treibt zuweilen sonderbare, irrationale Blüten, wenn allen Ernstes versucht wird, anthropologische Tatsachen zu verwerfen, indem z.B. ein Recht auf beliebige Festlegung des eigenen Geschlechts postuliert wird.

Aber täuschen wir uns nicht – der Hochmut ist nicht ein gesellschaftlicher Missstand bei Anderen. Er ist eine echte Gefahr im ganz normalen Alltagsleben jedes Menschen. Ohne das Laster des Hochmutes würden wir viel Falsches, von dem wir eigentlich sehr gut wissen dass es falsch ist, nicht tun. Auch wenn wir z.B. wissen, dass es falsch ist, einen Freund  oder Partner zu täuschen oder zu betrügen, billigen wir uns manchmal ein Sonderrecht zu, indem wir Ausreden und Ausnahmeregeln erfinden, warum es in diesem Fall schon in Ordnung ist, dass wir so handeln. Und solche vom Hochmut „abgeleiteten“ Laster gibt es viele…

Janusköpfiges Laster

Hochmut erfordert noch nicht einmal unbedingt ein Gefühl der Überlegenheit oder auftrumpfende Selbstgewissheit. Auch ein Mensch, der misanthropisch und übellaunig ist, stets nur klagt und jammert kann vom „Virus des Hochmuts“ befallen sein – eben wenn er immer nur um sich kreist, alle Welt und alles Geschehen nur auf sich bezieht, und sei es jammernd und anklagend.

Dieser Mensch setzt sich selbst in die Mitte des Universums, nichts Anderes hat für ihn einen auch nur ähnlich hohen Wert. Das gilt für den selbstverliebten Genussmenschen ebenso, wie für den verbitterten Besserwisser. Solche Gestalten findet man in der Literatur, z.B. bei Molière[3], sehr viel häufiger aber noch in unserer Alltagswirklichkeit.

In der Theologie gibt es schon seit Augustinus den Begriff „incurvatus in se ipsum“; er beschreibt die Haltung des Menschen, der völlig „in sich selbst verkrümmt“ ist. Er ist nicht nur innerlich abgeschlossen gegen seine Mitmenschen, er ist auch von Gott abgewandt und unempfänglich für die göttliche Liebe, ob nun aus übersteigertem Selbstbewusstsein oder aus Selbstmitleid. Und genau deshalb ist das Laster des Hochmuts eine „Tod-Sünde“, denn es trennt uns dauerhaft von der Liebe Gottes, durch die Weigerung, seine Zuwendung, Liebe, Vergebung anzunehmen[4].

Was tun?

Die Fastenzeit ist der ideale Zeitraum, um nicht nur  unsere Ess- und Trinkgewohnheiten zu überprüfen, sondern auch unseren Umgang mit Gott und den Menschen[5]. Nutzen wir sie, um uns auch wieder besser gegen die Versuchung des Hochmuts zu wappnen. Dazu kann es gut sein, ein geistliches Buch zu lesen: Die Autobiographie des Augustinus (Confessiones / „Bekenntnisse“) wäre eine gute Wahl, ebenso „Der Weg“[6] von Josémaria Escriva, oder einfach das Neue Testament. Aber auch die Wiederbesinnung auf christliche Meditation ist empfehlenswert, z.B. das Beten des Rosenkranzes, bevorzugt der „schmerzhaften Geheimnisse“[7] und dabei darüber nachzudenken, wie groß das „Entgegenkommen“ Gottes uns gegenüber ist, und was unsere Reaktion darauf wohl sein sollte.


Anmerkungen

[1]Dem steht als „höchste“ der Kardinaltugenden die Klugheit (vgl. den Beitrag zur Kardinaltugend der Klugheit) gegenüber, was auch für die Beurteilung des Hochmuts erhellend ist, der als Vermessenheit auch der Klugheit widerspricht. 

[2]Gen. 3.

[3]Le Misanthrope. (der Menschenfeind), aber auch der Heuchler Tartuffe sind Gestalten, die in gewisser Weise die verheerenden Auswirkungen des Hochmuts zeigen.

[4]Vgl. Anm. 3, Definition der Todsünde.

[5] Vgl. hierzu insgesamt den Vortrag von Bf. Robert Barron (besonders Min. 1-15). 

[6]Eine Sammlung von ganz kurzen Meditationen bzw. Sentenzen, deren Lektüre sich auch in den engsten Terminkalender einfügen lässt.

[7]Vgl. Beitrag „Meditation Old School“.