Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir! Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus, der auf dem Berge verklärt wurde.

Der „lichtreiche“ Rosenkranz stellt uns das irdische Wirken Jesu vor Augen; aber darin findet sich auch ein geheimnisvolles Offenbarungsgeschehen[1], das für einen Moment den Blick über alles Irdische hinaus öffnet: Die Verklärung auf dem Berg[2]. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass Jesus nicht irgendein Wanderprediger, ein bedeutender Rabbi, ein großer Prophet wie andere ist. Für einen Augenblick wird sichtbar, dass er nicht nur eine göttliche Sendung hat, sondern auch göttliche Natur. Was sonst in seiner Predigt und seinem Wirken mit Vollmacht verborgen[3] lag und für die Leute nur andeutungsweise zu spüren war, das zeigt sich nun direkt und glasklar.

Petrus, Johannes und Jakobus sind Zeugen des Geschehens. Dass vor ihren Augen Mose und Elija erscheinen und mit Jesus über seine Passion[4] sprechen, beweist zweierlei: Alles läuft auf das Leiden des Erlösers hinaus, und Altes und Neues Testament sind zutiefst miteinander verknüpft[5]. Alle Versuche, das Christentum von seinen jüdischen Wurzeln zu trennen sind zum Scheitern verurteilt. Ebenso alle reduktionistischen Jesus-Bilder, die ihn in einer Reihe mit anderen „Großen der Weltgeschichte“ ein- und unterordnen wollen.

Die Jünger sind von dem Erlebnis natürlich ganz überwältigt; sie begreifen bruchstückhaft, dass sie Zeugen eines Zeit und Raum sprengenden Wunders sind; zu viel, um es gleich zu verarbeiten[6]. Die Stimme aus der Wolke bestätigt die Gottessohnschaft Jesu, ähnlich wie schon bei seiner Taufe im Jordan[7], aber mit noch größerer Gewalt. Die geheimnisvolle Verklärung Jesu antizipiert zudem die glorreiche Verwandlung des Auferstandenen. Alle vordergründigen, rein innerweltlichen Relativierungen der Person Jesu Christi verblassen vor der Wucht dieser Offenbarung. Erschüttert, wie die drei Jünger, begreifen wir seine Gottheit.

Nehmen wir alle unsere Ängste und Anfechtungen, Unsicherheiten und Zweifel mit in unser Gebet; vertrauen wir dem Zeugnis der Apostel. Immer wenn wir von der Verklärung Jesu hören oder lesen, dürfen wir uns mit einfühlen in seine Gegenwart. Uns ist er auch heute nahe, wo immer wir uns befinden mögen. Beten wir aber auch für unsere Lieben, unsere Freunde und Bekannten, denen es an Glauben mangelt; nehmen wir sie in Gedanken mit auf den Berg der Verklärung, und bitten wir den Herrn, ihr Herz mit seiner Gegenwart zu berühren. Wie die Jünger damals können auch sie unerwartet Jesus in seiner göttlichen Natur erleben.


[1]Alle drei synoptischen Evangelien berichten darüber: Mt. 17, 1-9 / Mk. 9, 2-10 / Lk. 9, 28-36; jeweils nach dem Petrusbekenntnis.

[2]Eine umfassende theologische Erklärung ist hier zu finden: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Erster Teil. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg, Basel, Wien 2006. S. 353-365. Vgl. auch: Klaus Berger: Jesus. München 2007. S. 68-74.

[3]Vgl. z.B. Mt. 7, 28f.

[4]Lk. 9, 31

[5]Jesus spricht oft von „der Schrift“, was natürlich die hebräische Bibel, das Alte Testament meint.

[6]Petrus, der immer das Herz auf der Zunge trägt, würde gern den wunderbaren Moment festhalten. Er schlägt vor, drei Hütten zu bauen (Mk. 17, 4). Ein spontaner, rührender Einfall, aber wegen der zeitlichen Nähe der Verklärung zum Laubhüttenfest keineswegs so abwegig. Vgl. Ratzinger, a.a.O. S. 353f.

[7]Mt. 3, 17.