Der „schmerzhafte“ oder „schmerzensreiche“ Rosenkranz behandelt in seinen fünf Gesätzen oder Geheimnissenausschließlich die Passion Jesu Christi[1]. Aber das bedeutet keineswegs, dass er nur in die Fastenzeit oder gar nur in die Karwoche vor Ostern gehörte. Das Leiden und Sterben Jesu ist schließlich zentral[2] für den christlichen Glauben. Ohne das Kreuz, das nicht zufällig das Zeichen aller Christen ist, gäbe es keine Erlösung.

Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir! Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus, der für uns in Gethsemane Blut geschwitzt hat.

Für den ungeschulten Leser oder Hörer des Wortes klingt die Formulierung zunächst befremdlich: Jesus hat Blut geschwitzt… Die medizinische Realität dahinter[3] ist den meisten Zeitgenossen unbekannt, obwohl es doch die sprichwörtliche Redewendung gibt, man habe „Blut und Wasser geschwitzt“, in einer schwer belastenden Extremsituation. Und in einer solchen befand sich Jesus am Vorabend seines Leidens, als er mit seinen Jüngern im Ölbaum-Hain Gethsemane[4] war (Mt. 26, 36 ff.).

Wissend was auf ihn zukam, suchte er das Gebet, und ein wenig auch die Rückendeckung seiner Jünger. Die Angst vor dem bevorstehenden Horror der Kreuzigung war schwer zu ertragen. Was beweist die wirkliche Menschheit Christi mehr? Kein Halbgott oder Scheinmensch, der sich mit einem Trick aus der Affäre zieht, oder gar nicht richtig leiden kann. Und doch bleibt er standhaft und erhält schließlich neue Kraft… Für einen Augenblick nehmen wir Anteil an einem Geschehen, das man als innertrinitarische Kommunikation bezeichnen könnte. Eine ergreifende, erschütternde Erfahrung.

Zugleich erhalten wir auch einen seltenen Einblick in den inneren Zustand des Jüngerkreises. Das hat zunächst etwas Beunruhigendes, dann aber auch etwas Tröstliches. Jesus entfernt sich für sein Gebet ein wenig von den Jüngern; und obwohl er sie bittet, mit ihm zu wachen und zu beten, findet er sie bei seiner Rückkehr immer wieder schlafend vor. Nehmen sie keinen Anteil? Haben sie den Ernst der Lage nicht erkannt?[5] Dabei ist die doch brenzlig genug; und einer aus dem Kreis fehlt ja schon… Es war wohl einfach zu viel für sie: ein äußerst anstrengender, aufwühlender Tag, überwältigendes Geschehen, das über normales Verstehen hinaus geht. Am Ende können sie einfach nicht mehr, lassen ihren Meister allein. Aber Jesus belässt es nicht bei dem Vorwurf und wendet sich Ihnen ohne Groll wieder als seinen Freunden und Aposteln zu: „Es ist genug…“

Bemühen wir uns darum, die Bitte Jesu zu beherzigen: „Wacht und betet, damit Ihr nicht in Versuchung geratet!“ (Mt. 26, 41) Aber vertrauen wir auch darauf, dass er, der durch solches Leid gehen musste, uns voll Verständnis entgegen kommt.


[1]Zur theologischen Einordnung vgl. Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Zweiter Teil. Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg, Basel, Wien 2010. Kapitel 6 bis 8.

[2]Ein schönes linguistisches Detail in der englischen Sprache: „crucial“ – das Entscheidende, das Not-wendige schlechthin… Das Wort kommt vom lateinischen „crux“, Kreuz.

[3]„Hämhidrose“, der Austritt von Blut mit dem Schweiß in Fällen großer Angst. Vgl. Lk. 22, 44: „…und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte“.

[4]Der Name „Gethsemane“ (oder „Gethsemani“) wird beim Beten dieses Gesätzes oft weggelassen. Es war für Jesus ein wichtiger Ort des Gebets zum Vater. Noch heute lohnt sich ein Besuch in diesem „Ölgarten“ Gethsemane, dessen Nähe zur Stadt – und zur Hinrichtungsstätte Golgotha – noch immer erkennbar ist.

[5]In Jesu Worten klingt ein solcher Vorwurf deutlich an: „Wie könnt Ihr schlafen?“ (Lk. 22, 46).