—
Nach den Erkenntnissen des Bonner Historikers Konrad Repgen war die Katholische Kirche in Deutschland die einzige „gesellschaftliche Großgruppe“, die sich unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft der Gleichschaltung entziehen konnte.
Ob man diese Form der „Nichtanpassung“ als „Widerstand“ qualifizieren will, ist Ansichtssache. Unbestreitbar ist dagegen, dass sich Nationalsozialismus und Katholizismus zueinander verhielten wie Feuer und Wasser.
Schon die Rassentheorien des 19. Jh. hatten auf dem Index gestanden,und die NSDAP wurde von der Katholischen Kirche konsequent mit scharfen Worten verurteilt. Katholiken war es ausdrücklich verboten diese Partei zu wählen. Ein klares Bild ergibt auch eine Analyse der katholischen Presse von 1919 bis 1933, in der Rassismus, Judenhass und Nationalsozialismus heftig verurteilt wurden; Detailuntersuchungen belegen das z.B. anhand der Bonner „Deutschen Reichszeitung“. Und wo es in Deutschland eine katholische Bevölkerungsmehrheit gab, konnte die NSDAP nie eine Wahl gewinnen.
Oft wird das Reichskonkordat von 1933 als angebliches Zeugnis von Anpasserei missdeutet. Dabei war der Vertragstext schon vor Machtantritt der Nazis verhandelt worden, und trotz seines tiefen Misstrauens gegen Hitler versuchte der Vatikan zu retten was an rechtsstaatlichen Resten noch vorhanden war. Das Konkordat schützte die Kirche aber nicht vor Verfolgung, wofür allein schon der berüchtigte „Priesterblock“ im KZ Dachau Zeugnis ablegt. Ein inzwischen mehrbändiges wissenschaftliches „Martyrologium“ belegt – von der allgemeinen Öffentlichkeit unbeachtet – nicht nur hunderte Fälle ermordeter Priester, sondern viele tausend weitere oft barbarische Verfolgungsmaßnahmen gegen Priester und Ordensleute.
In der berühmten Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von 1937 hatte Papst Pius XI. die Verfolgung, Entrechtung und Misshandlung der Juden gegeißelt und die NS-Ideologie verurteilt. Ähnlich aufsehenerregend waren die Protest-Predigten des Bischof von Münster, Galen, der sich im August 1941 gegen die Morde an Behinderten („Euthanasie“) gewandt hatte. Auf jede Maßnahme offenen oder verdeckten Widerspruchs reagierte das NS-Regime mit sofortiger oder zeitlicher versetzter Rache, jedes Mal brutaler als zuvor; den Höhepunkt bildete nach einem Hirtenbrief der holländischen Bischöfe gegen die Judenverfolgungen im Juli 1942 die mörderische Verhaftungswelle gegen jüdischstämmige Katholiken in Holland, wobei auch die Hl. Edith Stein und ihre Schwester nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.
Alle diese Fakten sind seit Jahrzehnten bekannt und bestens dokumentiert. So stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass dennoch – mit knapp zwei Jahrzehnten Verzögerung nach 1945 – der Mythos von der angeblichen Nähe der Katholischen Kirche zum NS-Regime aufkommen konnte, eine schwarze Legende, die vor allem an Papst Pius XII. festgemacht wird. An den Fakten liegt es nicht, auch nicht an deren Zugänglichkeit. Der Papst rettete mehr als 800.000 Juden durch direktes Eingreifen das Leben (so Pinchas Lapide), und bei seinem Tod kondolierte Golda Meir mit warmherzigen Worten, ein „großer Freund des jüdischen Volkes“ sein gestorben. Damit kontrastiert scharf die Kampagne gegen Pius XII. seit 1963, bei deren Wiederauflage ein Kolportage-Autor sich zu dem Ausspruch verstieg, er sei „Hitlers Papst“ gewesen.
Aber auch wenn man diesen offensichtlichen Rufmord beiseite lässt, bleibt doch die Frage, warum Pius zur Shoa geschwiegen habe. Aber hat er das? Hat er tatsächlich nur im Verborgenen gegen die Nazis gearbeitet? Es ist ja immerhin bekannt, dass er im Vorhinein sogar von den Attentatsplänen des 20. Juli 1944 wusste. Wenn er aber nur „geschwiegen“ hat, wie kam es dann zu Schlagzeilen wie in der New York Times vom 28.10.1939 („Papst verurteilt Diktatoren, Vertragsbruch, Rassismus“), oder vom 6.8.1942: „Papst setzt sich für Juden ein, die aus Frankreich deportiert werden sollen“?