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Kann die Ehe tatsächlich als eine Gemeinschaft der Liebe bezeichnet werden? Leben die Ehepaare zusammen, weil sie sich lieben? Brennende Fragen in einer Kultur, in der die Ehe unter immer größeren Druck gerät. Die christliche Vorstellung von der Ehe stellt allen düsteren Blicken ein großes und leuchtendes Bild dieser fundamentalen Gemeinschaft zwischen Mann und Frau entgegen.
Gemeinschaft der Liebe?
Kann die Ehe tatsächlich als eine Gemeinschaft der Liebe bezeichnet werden? Leben die Ehepaare zusammen, weil sie sich lieben? Ich muß gestehen, daß diese Fragen mich sehr nachdenklich machen. Kürzlich erzählten einige verheiratete Frauen und Männer, warum sie sich auch nach zehn, zwanzig oder vierzig Jahren nicht von ihrem Partner trennen möchten: „Ich fühle mich wohl in meiner Ehe,“ sagte beispielsweise ein Sportlehrer. „Denn ich kann machen, was ich will. Meine Frau ärgert sich nicht, wenn ich abends spät nach Hause komme. Sie fragt auch nicht, wo ich war. Natürlich lasse ich ihr dieselben Freiheiten. Sie versorgt das Haus und kümmert sich um die Kinder. Was könnte man mehr erwarten?“
Die Frau eines Industriellen meinte: „Ich habe viel Glück gehabt mit meiner Ehe. Mein Mann verdient sehr gut. Endlich kann ich den Lebensstil wählen, der mir zusagt. Ich habe Zeit und Geld, all meine kulturellen Interessen zu pflegen.“ Und eine vielbeschäftigte Managerin berichtete: „Wir sind gut aufeinander eingespielt: Mein Mann kocht an fünf Tagen der Woche, ich am Wochenende. Dafür mache ich aber auch das Frühstück und die Betten.“ … Sicher hat jeder von uns ähnliche Gespräche oft gehört.
Und den meisten ist wohl auch klar, daß es sich hier lediglich um gut geölte Beziehungen zwischen zwei Menschen handelt, die sich um nichts weiter als Korrektheit bemühen – und die sich wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang fremd bleiben!
Wohltemperiertes Harmonieren?
Kann das wirklich alles sein? Genügen einige Kompromisse, ein paar Regeln der Höflichkeit – und das Eheleben klappt? Ist es überhaupt wünschenswert, die „große Liebe“, von der die Welt träumt, in ein gemäßigtes und wohltemperiertes Harmonieren abzuschwächen? Christliche Vorstellungen von der Ehe gehen weit über solches Denken hinaus. Das Christentum spricht von der großen, es spricht von der äußersten Liebe zu einem Menschen. Vorbild der ehelichen Liebe, so haben wir alle wohl schon einmal gehört, ist die Liebe, die Christus uns offenbart hat. Diese Liebe ist so tief und unergründlich, daß Christus selbst den Tod am Kreuz nicht scheute, um sich die Kirche als Braut zu erwerben.
Diese Gedanken sind uns wohl auch im Zeitalter der Säkularisierung nicht völlig fremd; aber sie sind uns reichlich fern. Sie sind uns so fern, daß mancher sich wundern wird, warum ich sie überhaupt erwähne. Die Antwort ist ganz einfach: Ich bin überzeugt davon, daß es sich lohnt, sie zu betrachten. Deshalb habe ich mir vorgenommen, mich etwas mehr mit ihnen zu beschäftigen.
Sind Liebe und Ehe unversöhnlich?
Offensichtlich herrschen in unserer Gesellschaft ganz andere Vorstellungen von dem, was man Liebe nennt. Man will genießen, besitzen und verwöhnt werden. Liebe und Ehe scheinen ohnehin recht unversöhnlich zu sein. In zahlreichen Filmen, Romanen und Erzählungen bis hin zu Glossen und Witzen der Trivialliteratur wird die Ehe als Falle, als Gefängnis, womöglich sogar als Irrenhaus oder als Hölle dargestellt. Und wir wissen zur Genüge, daß sie von nicht wenigen Zeitgenossen tatsächlich so empfunden wird. Darum kann man in gewissen Kreisen mit stürmischem Beifall rechnen, wenn man verächtlich von der Ehe spricht. Pessimismus ist ansteckend, Zynismus noch mehr! Doch noch schädlicher als übertrieben hohe Erwartungen, denke ich, können solche Erwartungen sein, die unangemessen niedrig angesetzt sind.
Natürlich dürfen wir die Augen vor den Schwierigkeiten nicht einfach verschließen. Doch der Blick sollte auch nicht starr auf die Probleme fixiert sein. Denn das führt nur dazu, die Ehe von vornherein abzulehnen. Außerdem sollten wir uns nicht zu schnell täuschen lassen: Es gibt durchaus auch heute Menschen, die in ihrer Ehe glücklich sind. Ihre Zahl ist gar nicht so gering, wie es manchmal scheinen könnte. Es sind die, die den Wunsch haben, aus ihrer Lebensgemeinschaft etwas Schönes, etwas Großes zu machen – und die den Einsatz dafür nicht scheuen.
Ich meine den echten Einsatz, nicht nur das Erlernen einiger oberflächlicher Spielregeln. Echter Einsatz bedeutet, sich selbst und seine Haltungen immer wieder zu überprüfen. In erster Linie, denke ich, geht es nicht darum, was man tun, sondern wie man sein muß, um eine glückliche Ehe zu führen. Denn in der Ehe bilden Mann und Frau eine neue Seinseinheit. Daraus erwächst die große Forderung, das eigene Sein reinzuhalten, den Egoismus, die Herrschsucht, die Trägheit des Herzens zu bekämpfen, damit das Böse nicht zum anderen übergehe, ihn nicht anstecke oder vergifte. Wenn man bereit ist, sich selbst zu bessern, dann kann man gewöhnlich auch eine bessere Ehe führen