Zu den neueren Mythen und „schwarzen Legenden“ über die Katholische Kirche gehört die Behauptung, die Kirche sei „frauenfeindlich“, wolle Frauen in eine untergeordnete Rolle zwingen oder betrachte sie gar gegenüber Männern als minderwertig. Eine ebenso unwahre wie bewusst irreführende Anklage.

Jesus und die Frauen

Schon die ersten Christengemeinden fielen im alten Israel und im Römischen Reich nicht nur durch ihre Wohltätigkeit und soziale Verantwortung auf, sondern auch durch die Hochachtung der Frau und ihrer Rolle in Familie und Gesellschaft. So wie der christliche Glaube geradezu subversiv gegen die Sklavenhaltung wirkte (vgl. Beitrag „Kirche und Sklaverei“), so brachte er auch für die Frauen fast sofort und überall massive Verbesserungen ihrer Lebenssituation und Sicherheit. Hintergrund waren natürlich die Predigt und das Verhalten Jesu gegenüber den Frauen.

Wie ein roter Faden zieht sich durch das Neue Testament, wie Jesus sich selbstverständlich den Frauen zuwandte, ihre Menschenwürde betonte und sie gegen harte und ungerechte  gesellschaftliche Konventionen[1] in Schutz nahm. Gelegentlich führte das zu Verwunderung (und dann Belehrung) bei den Jüngern: „Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach…“ (Joh. 4, 27). Frauen gehörten zum großen Jüngerkreis Jesu, Frauen unterstützten ihn aktiv bei seinem Wirken in Israel; Frauen wurden auch zu beispielhaften Zeugen und Vermittlern seiner Lehre[2], und sie waren seine treuesten und mutigsten Anhänger bis unter das Kreuz. Frauen waren auch die ersten Zeugen der Auferstehung[3].

Der größte Mensch – eine Frau

Hinzu kommt schon in den ersten Christengemeinden die Verehrung der Mutter Jesu, Maria. Das gehört von Anfang an zum Grundbestand und Glaubensgut der Kirche, und bis zum heutigen Tag ist für jeden gläubigen katholischen (und orthodoxen) Christen der am höchsten zu achtende und zu verehrende Mensch[4] weder ein Papst oder Apostel, noch sonst ein Heiliger, sondern die selige Jungfrau und Gottesmutter Maria. Schon dies allein sollte ausreichen, um den Thesen radikaler Kirchenkritiker den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn sie – ebenso hartnäckig wie wahrheitswidrig – behaupten, die Kirche billige der Frau einen minderen Rang als dem Mann zu.

Bereits die frühen Kirchenväter vertraten mit Nachdruck die damals höchst unzeitgemäße Wahrheit von der grundlegenden Gleichheit von Mann und Frau. Hier sind schon Klemens von Alexandrien und Origenes im 2. und 3. Jahrhundert zu nennen, sowie Augustinus an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert[5].  

Natürlich hat die Kirche nicht ständig überall die gesellschaftliche Realität und die vorhandenen Sitten und Gebräuche umgestürzt. Die Kirche lebt mit den Menschen in ihren Gesellschaften. Es ist also eigentlich selbstverständlich, dass sie sich in die Lebenswirklichkeit der Menschen in irgendeiner Weise einfügen musste. Das war in der Kirchengeschichte nicht anders als heute, wo sich die Kirche wieder mit einem enormem Anpassungsdruck durch den gesellschaftlichen Mainstreamkonfrontiert sieht.

Ferment in der Gesellschaft

Aber immer wirkten – und wirken auch heute – der Glaube und die kirchliche Lehre als ein Ferment der Befreiung, nicht nur „von der Sünde“, sondern auch von ungerechten gesellschaftlichen Strukturen. Denn allem Zeitbedingten und gelegentlich Inkohärenten im äußeren Erscheinungsbild der Kirche zum Trotz war und ist der gleiche Rang aller Menschen als „Kinder Gottes“, egal ob Frauen oder Männer, ein Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens.

Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Frauen in der Kirchengeschichte eine zentrale Rolle spielten und in aller Regel in der Kirche erheblich mehr Rechte und Möglichkeiten hatten, auf jeden Fall aber höher geschätzt wurden, als in der jeweiligen säkularen Gesellschaft.

Große Frauen in der Kirche

In keiner anderen Religion haben und hatten Frauen von Anfang an eine so wichtige Rolle – von den Frauen aus dem Jüngerkreis Jesu über die großen Äbtissinnen des Mittelalters bis zu den Heiligen – aber auch den ganz normalen Frauen in den Gemeinden – unserer Zeit.

Die Liste ist lang und ungemein vielfältig; sie reicht von der Universalgelehrten Hildegard von Bingen zu Katharina von Siena, die mit ihren Schriften einen furchtsamen Papst erfolgreich an seine Pflichten erinnerte; sie umfasst auch die große geistliche Schriftstellerin Teresa von Avila. Alle drei genannten Frauen wurden offiziell in den hohen Rang der „Kirchenlehrerin“ erhoben.

Aus neuerer Zeit seien beispielhaft genannt: Die Kirchenlehrerin Therèse von Lisieux, die große Philosophin, Ordensfrau und Märtyrerin Edith Stein, die von Papst Benedikt XVI. zur „Patronin Europas“ erhoben wurde, sowie Mutter Teresa von Kalkutta, die vielleicht beliebteste Heilige unserer Zeit, deren Wirken in der Kirche noch an Bedeutung zunimmt.

Gerade diese drei letztgenannten Frauen spiegeln mit ihren so unterschiedlichen Charakteren, Lebensläufen und Charismen in wunderbarer Weise wider, was den „Genius der Frau“[6] für die Kirche ausmacht – Kontemplation, Lehre, Caritas, mütterliche Hingabe.

Gern wird gegenüber diesen großen Frauen abschätzig eingeworfen, sie seien nur Ausnahmen, und sie hätten ja keine „Macht“ gehabt. In dieser Argumentation verrät sich Unkenntnis nicht nur der Kirchengeschichte, sondern vor allem dessen, was Kirche überhaupt ist – so als ob „Macht“ in menschlichen Organisationsstrukturen  für sie das ausschlaggebende Kriterium sei.

Vor allem aber übersieht diese Kritik, die sich ausschließlich auf weltliche Kriterien und Wertungen konzentriert, wie maßgeblich diese Frauen die Kirche tatsächlich geprägt haben. Die Namen dieser großen Frauen und ihr Wirken sind auch nach Jahrhunderten noch in der Kirche präsent, während manch ein einst „mächtiger“ Fürstbischof, Theologe oder Kirchenfunktionär längst vergessen ist.

Geringschätzung der Frau?

Es ist im Übrigen sehr erhellend, dass die Anklage der „Frauenfeindlichkeit“ im Gegensatz zu den meisten anderen „schwarzen Legenden“ über die Kirche noch vergleichsweise neueren Datums ist. Die säkularistischen Aufklärer und Denker des 18. Jh. und 19. Jh. wären kaum auf die Idee gekommen, die ihnen verhasste Kirche mit dem Vorwurf der „Frauenfeindlichkeit“ zu attackieren, so gern sie jedes denkbare Argument gegen sie in Stellung brachten.

Galt ihnen doch die Kirche eher als „weibisch“ und allzu unmännlich in ihren karitativen Tun[7]. In dieser unschönen Tradition ist es zu sehen, wenn bis in unsere Tage Spott und Geringschätzung über Frauen und Mütter in der Kirche ausgeschüttet und ihre Praxis Pietatis als Sache von „alten Frauen“ oder „Betschwestern“ verhöhnt wird, die „ständig in die Kirche rennen“. Dabei ist lediglich die Wortwahl nun feministisch statt paternalistisch eingefärbt.

Wer sich für die tatsächliche kirchliche Lehre über die Rolle der Geschlechter und die Wertschätzung der Frau interessiert, dem sei zur Lektüre der warmherzige Brief von Papst Johannes Paul II. an die Frauen vom 29. Juni 1995[8]zur Lektüre empfohlen, der in knapper Form alles Wesentliche zum Ausdruck bringt.

Aus Anlass der damals in Peking abgehaltenen vierten „Weltfrauenkonferenz“ hat der inzwischen heiliggesprochene Papst die Rolle der Frau insgesamt gewürdigt, im Erwerbsleben wie in der Familie und natürlich in der Kirche. Für die Frauen wäre es schön gewesen, seine Worte wären bei der UNO-Frauenkonferenz auf mehr Gehör gestoßen.

Immer wieder werden solche Äußerungen des päpstlichen Lehramtes mit dem listigen Hinweis abgetan, das sei alles nicht ernst zu nehmen, solange Frauen nicht zu Priestern geweiht würden, so als sei das Priestertum mit dem Vorsitz in einem Verein oder einer Partei vergleichbar. Die Priesterweihe ermöglicht es dagegen dem Priester „in persona Christi“ zu handeln, und das ist kein „Vorrecht“ im juristischen Sinne, genauso wenig wie z.B. die Mutterschaft ein weibliches „Vorrecht“ ist.  Beides sind theologische bzw. anthropologische Gegebenheiten, die sich menschlicher Manipulation entziehen.

Katholischer Feminismus

In jedem Fall lohnt es sich, an die Schriften von Edith Stein zur Emanzipation der Frau[9] und zu ihrer künftigen Rolle in der Gesellschaft zu erinnern. Die große Philosophin, fromme Katholikin, Ordensfrau und Märtyrerin war ihrer Zeit auch bei diesem Thema voraus und hat aus ihrem katholischen Glauben und einem tiefen Verständnis des menschlichen Wesens wichtige Impulse zur Gleichberechtigung der Frau bzw. zur „Geschlechtergerechtigkeit“ gegeben, anthropologisch fundiert und ohne ideologisches Pathos. Dabei hat sie auch das Wesen des Priestertums mit großem Scharfsinn hinterfragt und die Erörterung gewissermaßen aus den Niederungen des Rechts- und Vereins-Denkens auf die angemessene spirituelle Ebene gehoben, nicht ohne kritische Anfragen, aber in Einklang mit der kirchlichen Lehre.


Anmerkungen

[1]Vgl. z. B. Jesus und die Ehebrecherin, Joh. 8, 1-11. Für weitere Beispiele und Belege vgl. das Apostolische Schreiben von Papst Johannes Paul II. Mulieris Dignitatem. Über die Würde und Berufung der Frau; anlässlich des Marianischen Jahres 1988. Ebd. Nr. 13.

[2]Wie z.B. die samaritanische Frau am Brunnen, Joh. 4, 1-26.

[3]Für die damalige Zeit war die gültige Annahme der Zeugenaussage einer Frau höchst ungewöhnlich.

[4]Hier geht es, wie bei allen Heiligen der Kath. Kirche, nicht um Anbetung, die allein dem dreifaltigen Gott gebührt, sondern um „Verehrung“ als höchste Form der Wertschätzung, sowie um die Anrufung als Fürsprecherin bei Gott.

[5]Vgl. a. Mulieris Dignitatem, Nr. 6.

[6]Joh. Paull II., Brief an die Frauen vom 29.06.1995, Nr. 9.

[7]Für Friedrich Nietzsche war das Christentum eine Religion der Verweichlichten, Schwachen, Gescheiterten.

[8]http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/letters/1995/documents/hf_jp-ii_let_29061995_women.html

[9]Vgl. z.B.: Die Frau. Ihre Aufgabe nach Natur und Gnade. Edith-Stein-Gesamtausgabe, Bd. V. 1959.