Bild: Die Bergpredigt Fresco von Cosimo Rosselli in der Sixtinischen Kapelle.

Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir! Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus, der uns das Reich Gottes verkündigt hat.

Wenn wir an „das irdische Wirken“ Jesu denken, dann kommen uns zumeist erst einmal die Wunder in den Sinn, die Heilungen vor allem, aber auch das Weinwunder von Kana; Ereignisse, in denen Jesu Gottheit schlaglichtartig spürbar wurde. Aber die zentralen Elemente seines Wirkens, schon vom zeitlichen Umfang her, waren seine Predigten, seine Verkündigung des Evangeliums vom Reich Gottes: „Das Reich Gottes ist nah!“

Jesus nahm lange und beschwerliche Reisen auf sich, große Mühen und Gefahren, um die Botschaft im ganzen Land unter die Menschen zu bringen. Zur Vorbereitung und Unterstützung sandte er auch seine Jünger aus, predigend, verkündigend, heilend[1]. Nicht mit kosmischen Phänomenen und welterschütternden Himmelszeichen, sondern durch die Kraft des gesprochenen Wortes teilt sich Jesus mit. Die Menschen werden nicht überwältigt, sondern zum Glauben und zur Umkehr eingeladen. Die Zeichen und Wunder mögen beglaubigende, zeichenhafte Kraft gehabt haben, als Verstärker, oder quasi als Katalysatoren; aber wir wissen wie schnell die Wirkung unter den Menschen auch wieder verfliegen konnte, so dass sie sich abwandten oder sogar gegen ihn stellten[2].

Der Begriff „Reich Gottes“[3] hat zu vielerlei Interpretationen Anlass gegeben, schon in der frühen Christenheit. Das Spektrum reicht von einem innerlichen Geschehen (schon bei Origenes)[4] bis zur Identifizierung des Reiches Gottesmit der Kirche im Lauf der Geschichte. Dabei werden verschiedene Aspekte einer Wahrheit sichtbar. Nur eine rein materialistische, machtpolitische Deutung auf eine weltliche Herrschaft hin darf man getrost ausschließen[5]. In jedem Fall ist aber deutlich, dass in Jesus, in seiner Person und Menschwerdung, das Reich Gottes angebrochen ist.

Von den Aposteln haben auch wir den Staffelstab der Verkündigung übernommen. So wie Jesus seine Jünger aussandte, so sind wir auch gesandt; nicht umsonst endete früher jede Hl. Messe mit dem Ruf „missa est!“[6]. Nun müssen wir natürlich nicht alle Prediger werden und als solche umherziehen. Aber nehmen wir diesen Gedanken mit in unsere Meditation: Auch ich kann einen Beitrag leisten; in meinem ganz normalen Alltagsleben, indem ich ohne falsche Scham, natürlich und unaufdringlich als gläubiger Christ lebe. Nichts überzeugt mehr, als das gelebte gute Beispiel. Damit lege ich Zeugnis ab, dass das Reich Gottes auch heute mitten unter uns ist.


[1]Mk. 6, 6b-13 und Lk. 10, 1-16

[2]Vgl. Joh. 6, 60 f.

[3]Vgl. hierzu: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Erster Teil; von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg, Basel, Wien. Kap. 3 passim.

[4]a.a.O. S. 79

[5]Mit Jesu eigenen Worten (Lk 17, 20f): „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man dabei zuschauen könnte. Man wird nicht sagen können: Hier ist es oder dort – denn siehe: das Reich ist mitten unter euch!“. Vgl. Ratzinger, a.a.O. S. 89.

[6]Ite, missa est bedeutet sinngemäß: „Geht, Ihr seid gesandt!“