Man nennt es Advent[1]Eigentlich eine Zeit der Besinnung und inneren Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Früher war die Adventszeit sogar eine Fastenzeit[2], was den Charakter der inneren Sammlung und spirituellen Vorbereitung unterstreichen sollte. Und auch heute noch wünschen wir uns gegenseitig manchmal eine „besinnliche“ Adventszeit. Die Realität sieht leider meist anders aus: Beruflich ist die Zeit vor Weihnachten oft genug eine Stress-Phase, in der sich alle möglichen Aufgaben und Arbeiten noch verdichten. In der Schule muss vor den Weihnachtsferien noch allerhand abgeschlossen werden, nicht selten im par force-Verfahren; und selbst in den Familien kommt spätestens ab der Mitte der Adventszeit so etwas wie vorweihnachtliche Hektik auf. Diese Wochen sind statt einer Phase der Besinnung tatsächlich mehr eine Art „Countdown“ der uns nervös macht und irgendwie unter Druck setzt. Was kann man da tun?

Mission impossible?

Für die meisten unter uns stellt sich die Frage gar nicht, wie man im Advent das Leben etwas „entschleunigen“ könnte. Denn auf den ersten Blick sind wir in Schule oder Erwerbsleben weitgehend fremdbestimmt und können uns den Abläufen und Zwängen der modernen Gesellschaft gar nicht entziehen. Auch für die schönen adventlichen Familientraditionen, die sich vor allem seit dem 19. Jahrhundert eingebürgert hatten, wie gemeinsames Adventssingen im Familienkreis, Basteln, Sammeln für Bedürftige etc. gibt es wenig Raum und Interesse. Selbst der Adventskalender scheint auf verlorenem Posten zu stehen, nurmehr ein Placebo zu sein, zur Dämpfung kindlicher Ungeduld. Aber das muss nicht sein; versuchen wir endlich, diesen Countdown in die eigenen Hände zu nehmen! Und fangen wir mit einem virtuellen Adventskalender an.

Alternativer Adventskalender…

Was zunächst wie ein Regress in die Kindheit scheint – die Wiederbelebung des Adventskalenders –  ist in Wirklichkeit die Chance auf eine anregende spirituelle Entdeckungsreise; richtig verstanden ist es ein Programm der adventlichen „Besinnung“ für Erwachsene. Dafür braucht man an jedem Tag[3] nur ein paar Minuten.

Was spricht zum Beispiel dagegen, auf der Fahrt zur Arbeit ein Kapitel oder auch nur zwei, drei Seiten aus einem passenden Buch zu lesen? Zum Beispiel aus Josef Ratzingers „Prolog“[4] zu seinem epochalen Werk über Jesus von Nazareth. Oder einen kurzen Abschnitt aus einem Meditationsbüchlein[5]. Solche kurzen Lektürezeiten lassen sich in jeden Arbeitstag integrieren; und wer mit dem Auto fährt, kann auf Hörbücher zurückgreifen. Ein schöner Nebeneffekt: Die Bahn- oder Auto-Fahrt verliert an Stress. Natürlich kann man solche Kurz-Lektüren auch zu anderen Zeiten in den Tagesablauf einfügen.

Wer es lieber elektronisch hat, kann sich eine passende „App“[6] auf das Smart Phone laden. Der Blick ins Mobiltelefon ist eine so alltägliche und häufige Handlung, verteilt über den ganzen Tag, dass nun wirklich jeder Zeit und Gelegenheit findet, dabei einmal eine Viertelstunde für etwas adventliche Besinnung abzuzweigen, dazu noch ganz unauffällig – sei es in der Mittagspause, beim Warten auf einen Termin, oder sogar im Bus. Man wird schnell merken, dass davon auch eine beruhigende Wirkung ausgeht. Und der kommerzielle Weihnachtsschmuck in den Straßen und Geschäften gewinnt auf diese Weise plötzlich und unerwartet wieder ein wenig einen spirituellen Aspekt.

… und adventliche Alternativen

Es muss natürlich nicht beim Lesen bleiben. Warum nicht jeden Morgen etwas in ein Sparschwein stecken und schließlich, zu Weihnachten, für einen guten Zweck spenden? Vielleicht verbinden wir das mit einem kleinen Verzicht; stellen uns zum Beispiel vor, dass wir das Geld für irgendeine kleine Annehmlichkeit statt dessen in dieses Sparschwein werfen.

Wem der Gedanke an Fasten und Verzicht nicht zu seiner Adventsstimmung zu passen scheint, oder wer nicht immer an Geld und Bezahlen erinnert werden möchte, der kann seinen virtuellen Adventskalender auch mit anderen Ideen füllen. Wie wäre es damit, ab und zu einen „guten Vorsatz“ auf einem Zettel zu notieren (und bei passender Gelegenheit umzusetzen)? Den kranken Freund oder Bekannten anrufen, den alten Streit schlichten, die Oma besuchen, einen kleinen Liebesdienst in der Familie übernehmen…

Das alles sollten wir langsam angehen; es soll nicht zum zusätzlichen „Stress“ werden, sondern uns zu Gelassenheit verhelfen. Finden wir zunächst die richtigen Zeiten, auch wenn sie nur sehr kurz sind… Diese Zeiten nehmen wir aus dem Trubel heraus – für uns selbst und für Gott. Wie schön wäre es, wenn daraus mit der Zeit eine Art Dialog mit Gott würde!

Ein spiritueller Bonus

Im Übrigen – und das hilft hierbei sehr – empfiehlt die Kirche seit jeher, in der Adventszeit auch einmal zur Beichte zu gehen. Das ist die klassische und für jedes hohe Fest passende geistliche Vorbereitung (vgl. hierzu den Beitrag „Beichte? Echt jetzt…?“). Vielleicht findet sich in den nächsten vier Wochen auch dafür noch eine halbe Stunde…


[1]Von lat. „Adventus“, Ankunft. Seit Tertullian als Übersetzung für das griech. παρουσία (Parusie) im Neuen Testament, oder auch für  ἐπιφάνεια (Epiphanie) verwendet. Bezeichnet ursprünglich die Ankunft bzw. den Aufenthalt eines Herrschers oder Gottes.

[2]Heute noch in der griechischen Kirche.

[3]    Ab dem Ersten Advent, oder notfalls auch ab dem 1. Dezember, wie bei den kommerziellen  Adventskalendern.

[4]Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth (3 Bde.). Prolog. Die Kindheitsgeschichten. 2012.

[5]Zum Beispiel: Francisco F. Carvajal: Meditationen für jeden Tag. Bd. 1, Advents- und Weihnachtszeit. Adamas-Verlag, o.J.

[6]Zum Beispiel „Evangelizo“, oder „Hallow“. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten; am besten probiert man aus, welches am besten zu einem selbst passt.