Angesichts des großen Einflusses der sog. „Humanwissenschaften“ auf das Denken und die Werte unserer Gesellschaft scheint die Frage nach dem biblischen Menschenbild überholt zu sein. Ist es nicht so, dass Bibel und Christentum von „vor-modernen“ Vorstellungen geprägt sind und uns deshalb in Sachen Kinderkriegen und Erziehung gar nichts zu sagen haben? Selbst in kirchlichen Kreisen wird manchmal eilfertig behauptet, die Kirche müsse sich endlich „die Erkenntnisse der Humanwissenschaften“ zu Herzen nehmen und ihre Lehre entsprechend anpassen. Dabei bleibt meist unklar, welche Erkenntnisse damit gemeint sind, und ob sie der Probe auf Wissenschaftlichkeit standhalten[1], von der fragwürdigen Relevanz[2] für die Glaubenslehre ganz zu schweigen. Bevor man das sprichwörtliche Kind mit dem Bade ausschüttet, lohnt sich der Blick darauf, was z.B. das Neue Testament über Kinder zu sagen hat.

Neben dem Bild vom guten Hirten ist das von Jesus dem Kinderfreund eines, das fast jeder kennt. Jesus nimmt Kinder als Kinder ernst und behandelt sie nicht wie unvollkommene Erwachsene: „Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (Mk. 10, 14). Wenn es ihm um das rechte, gelingende Leben geht, stellt er uns ausgerechnet Kinder als Beispiel vor Augen. Über sie sagt er etwas, das seinerzeit unglaublich, geradezu beunruhigend klang (und so auch heute): „Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Mk. 10, 15). Ein richtiger Schock für manchen Besserwisser, auch in unseren Tagen… Und es lässt sich nicht weginterpretieren. Hier geht es nicht um etwas „im übertragenen Sinne“, nichts Symbolisches, vielmehr um die kindliche Unschuld und Unmittelbarkeit als Voraussetzung für das Heil. Interessanterweise versteht das jeder, zu jeder Zeit und in allen Kulturkreisen; und kein Mensch bei gesundem Verstand käme dabei auf die Idee, das Kindliche mit dem Kindischen[3] zu verwechseln.

Nicht nur Kinderfreund

Aber da ist mehr als „Kinderfreundlichkeit“; besonders in der Zeit um Weihnachten sollte das geradezu überdeutlich sein: Das Kind in der Krippe, unschuldig und wehrlos, das dennoch der Erlöser ist… Die Menschwerdung Gottes geschieht nicht mit Blitz und Donner, als dramatisch überwältigende Epiphanie, sondern im Kleinen, Verborgenen, in einem Kind. Und auch sonst durchzieht das Motiv Kinder / Kindschaft das ganze Neue Testament. Was hat es damit auf sich?

Wir begegnen hier einem großen Geheimnis, das man zu Recht als  „Alleinstellungsmerkmal“ des Christentums bezeichnen kann: Dass Gott sich zu uns Menschen verhält wie ein liebender Vater zu seinen Kindern. Das Wissen um die „Gotteskindschaft“ des Menschen[4] gibt es in dieser Form in keiner anderen Religion – wobei selbstverständlich die jüdischen Wurzeln dieses Menschen- und Gottesbildes klar hervortreten. Das ist nicht ein Accessoire, ein Beiwerk oder eine Nebenwirkung der christlichen Religion, sondern ihr innerster Kern.

Ein Gerichtswort

Die besondere Gottesnähe[5] der Kinder bedingt auch ihre machtvolle Verteidigung gegen Unrecht und Gewalt. Aus dem Munde Jesu kommt die schärfste mögliche Warnung an alle, die sich an unschuldigen Kindern vergreifen oder sie in die Irre führen: Für solche Täter wäre es besser, sie würden mit einem Mühlstein am Hals im Meer versenkt[6]. Ein für Jesus ganz ungewöhnlich hartes und drastisches Wort, das den Ernst der Lage deutlich macht. Um Missverständnissen und Verdrehungen vorzubeugen: Hier fordert Jesus keineswegs die Todesstrafe durch Ertränken; vielmehr deutet er an, wie schwer die ewige Strafe für solche Untaten sein wird. Kein anderes sog. „Gerichtswort“ Jesu ist so streng – und keines ist so beängstigend aktuell in unserer Zeit! Es ist wie direkt in unsere „Lebenswirklichkeit“ hinein gesprochen.

Schreckliche Aktualität

Abtreibung, Missbrauch, Kinderhandel, neuerdings auch die zunehmende Verwirrung der Geister durch eine politisierte, außer Rand und Band geratene Trans-Ideologie, die vor Kindern nicht haltmacht, sind furchtbare Bedrohungen der Kleinen in unserer sich fortschrittlich und human wähnenden Gesellschaft. Welches geradezu infernalische Ausmaß der organisierte Kindesmissbrauch und Sklavenhandel mit Kindern hat – weitgehend außerhalb der Wahrnehmung (und des Interesses) von Medien und Öffentlichkeit – das zeigt der beeindruckende Film „The Sound of Freedom“[7]. Jesu Gerichtswort trifft mit voller Konsequenz alle jene, die sich dieser unsäglichen Verbrechen schuldig machen; und wir wissen, dass es „wirkmächtiges“ Wort ist, das erfüllt werden wird.

An der Aktualität und Relevanz des Neuen Testaments und des christlichen Glaubens für unser Thema kann also kein Zweifel sein. In keiner anderen Religion erfahren Kinder so große Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Aber die Aufklärung … ?

Viele Zeitgenossen wollen dennoch nichts davon wissen und verweisen auf ihr eigenes moralisches Koordinatensystem, von dem sie glauben, dass es unabhängig von der Kirche, oder gar gegen die christliche Tradition entstanden sei, ja geradezu dagegen habe „erkämpft“ werden müssen[8]. Doch die europäische Aufklärung konnte bekanntermaßen nur auf dem Nährboden des jüdisch-christlichen Kulturerbes entstehen. Insofern sich dann die Aufklärer – die zunächst keineswegs alle  Atheisten und Kirchenhasser waren – mehr und mehr von den christlichen Wurzeln getrennt haben, war das Ergebnis traurig und oft das Gegenteil des Gewollten[9]. Aber darüber schweigt der Zeitgeist großzügig, und die dunklen Seiten werden ausgeblendet.

Rousseau & Co. – nein danke!

Einer der „großen“ Aufklärer war Jean-Jacques Rousseau, dessen Diktum „Zurück zur Natur“ heute mehr denn je (zusammenhanglos und unkritisch) das Mantra des ideologischen Mainstreams ist. Seine weltfremde, abgehobene und letztlich unmenschliche Auffassung von der menschlichen Natur taugt nicht als Grundlage irgendeiner Erziehungstheorie. Wie seine Haltung gegenüber Kindern aussah, zeigt sich daran, dass er die mit seiner Mätresse gezeugten fünf eigenen Kinder ausnahmslos ins Findelhaus abschob.  

Besinnen wir uns also lieber auf das christliche Menschenbild – nicht als leere politische Phrase, sondern ernst gemeint, als Lackmustest für unser eigenes Verhalten und dann auch für gesellschaftspolitische Debatten. Verlieren wir die christlichen Grundlage unserer Werteordnung nicht aus den Augen! Sonst sieht es schlecht aus für die Zukunft unserer Kinder.


[1]Oft sind es nicht einmal echte wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern ideologische Konstrukte, die mit propagandistischem Aufwand und bestellten „Expertisen“ als angeblich wissenschaftlich fundiert verkauft werden.

[2]Nur ein kruder Szientismus kann allen Ernstes verlangen, die kirchliche Lehre solle vom jeweiligen Stand vermeintlicher Forschungsergebnisse abhängig gemacht werden. Zum Gesamtkontext vgl. auch: https://www.youtube.com/watch?v=vQL4OZgdQDw

[3]Ein Beispiel für eher Kindisches war der Medien-Hype um minderjährige Klima-Aktivistinnen. Dabei wurde aus mangelnder Reife geradezu ein Kult gemacht. Das ist das Gegenteil kindlicher Unschuld, vielmehr ein Beispiel der schädlichen Instrumentalisierung von Kindern.

[4]Die in der Gottesebenbildlichkeit gründet.

[5]Ihre Schutzbedürftigkeit nicht nur im anthropologischen, sondern gewissermaßen in einem eschatologischen Sinne betreffend. Vgl. auch Mt. 18, 10: „…ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters“.

[6]Mk. 9, 42: „Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“. Eine gewisse Parallele findet sich in Jesu Wort zum Verräter beim letzten Abendmahl: „Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre“ (Mt. 26, 24).

[7]https://www.kino.de/film/sound-of-freedom-2023/

[8]Vgl. hierzu den Beitrag: https://erziehungstrends.info/die-kirche-und-die-menschenrechte

[9]Mit den bekannten Folgen in totalitären Ideologien, aber auch in kaltherzigen „transhumanistischen“ Strömungen.