Als unser Buch Man Interrupted im Jahre 2016 publiziert wurde, waren Bedenken über die Bedürfnisse von Jungen und jungen Männern, wiewohl legitim, doch recht unpopulär. Es gibt für jeden eine neue Welt zu entdecken, doch angesichts der sich verändernden ökonomischen, sozialen und technologischen Bedingungen, geraten Jungen mehr und mehr ins Abseits. Es gibt mittlerweile sehr viele junge Männer, die im Studium versagen, mit Mädchen keine Bindung aufbauen können und später auch in der Beziehung zu Frauen scheitern. 

Die hauptsächlichen Symptome, die wir sehen, schließen ein: Verdruss mit Erziehung, fehlende Motivation, sich auf Ziele im wirklichen Leben zu konzentrieren, Verabschiedung aus dem Arbeitsleben, selbstgewählte soziale Isolation und exzessives Videospielen und Pornografie.

Gespräche mit jungen Männern und unsere Untersuchungen zeigen deutlich, dass in unserer heutigen Kultur der Begriff Jungen-Energie bestenfalls gar nicht genannt, oder schlimmstenfalls dämonisiert wird. Im Gegenzug haben junge Männer für sich entschieden, dass es keinen Sinn macht, Zeit und Energie in die Gesellschaft zu investieren. Viele fragen, was sie denn davon hätten und hören als Antwort nur Blabla.

Hinzu kommt, dass es keinen Königsweg zum beruflichen Erfolg mehr gibt und ein enormer Bedarf an Erwachsenen besteht, die jungen Männern den Weg zum Erwachsenwerden zeigen. Vaterlosigkeit griff in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr um sich, doch selbst Jungen, die ihr Leben mit Vätern teilen, verbringen immer weniger Zeit mit ihnen in direkter Konversation, sondern hocken vor Bildschirmen, die ihnen Männerbilder als emotionslose Krieger, abgehalfterte Väter oder einfach Loser präsentieren.

Mit anderen Worten, die Jungs gehen aus einem frauendominierten Haushalt in eine frauendominierte Schule – an der weniger als ein männlicher Lehrer auf 9 Lehrkräfte kommt – zurück in ihr frauendominiertes Zuhause, wo man den Jungen sagt, dass sie sich gefälligst benehmen sollen.

Genau diese Umgebung sorgt dafür, dass Jungen nicht zu Männern heranreifen und dass sie nur dann belohnt werden – welcher Widerspruch -, wenn sie vielleicht irgendwann erwachsen werden. Es muss einen nicht wundern, dass viele junge Männer weder in der Schule noch danach mit ihren emotionalen Verwirrungen beim anderen Geschlecht zurechtkommen, sondern von Drogen und Gang-Aktivitäten abhängig werden.

Die Gesellschaft zeigt leicht mit dem Finger auf diese jungen Männer und sagt: „Es ist ihr Problem“, doch Tatsache ist, dass eben diese Gesellschaft den jungen Männern die notwendigen Strukturen, Führung, Mittel oder Orte vorenthält, um sich zu entwickeln und Erfolg zu haben.

Auch die Schulen versagen

Die U.S.A. gibt mehr Geld für jeden Schüler aus, als die Mehrheit anderer zivilisierter Länder, und doch gewinnen sie immer weniger Profit aus jedem Dollar. Jetzt, da viele Schulen Staatsgelder ergebnisabhängig erhalten, unterrichten die Lehrkräfte nur auf gute Testergebnisse hin, fördern jedoch nicht die Neugierde der Schüler oder kritisches Denken geschweige das Lernen nicht-spezifischer Prinzipien und Werte.

Seit 1980 stieg die Zahl der Jungen um 71%, die angaben, nicht in die Schule gehen zu mögen. Ein Grund hierfür ist der, dass ein Junge sozial und verbal nicht so reif, wie ein Mädchen gleichen Alters ist, doch ist er physisch aktiver.

In der Grundschule liegt heute der Schwerpunkt auf Sprachunterricht, so kommen Jungen zu dem Schluss, dass sie in der Schule nicht gut genug sind und deshalb versuchen sie erst gar nicht, mitzuhalten.

Jungen lernen am besten an Hand von praktischen Übungen, doch diese werden in den meisten Schulen nicht mehr angeboten. Hinzu kommt, dass Tagebücher und Erlebnis-Aufsätze, bevorzugt von Mädchen, oft beliebter als Comics und Science Fiction sind, die Jungen mehr ansprechen.

Was läuft in der Ausbildung sonst noch falsch? Zu viel langweilige Hausaufgaben und zu viele überarbeitete oder abwesende Eltern, denen das Interesse am Fortschritt und der akademischen Probleme ihrer Kinder abgeht und die nur an guten Zeugnissen interessiert sind. 

Zu viele Schulen haben überdies Turnen und strukturierte Spielzeiten, auch Pausen, aus den Lehrplänen gestrichen, was dazu führt, dass keine Gelegenheit mehr besteht, überschüssige Energie abzubauen, persönliche Kontakte zu knüpfen, oder die Fantasie anzuregen.

Finanzielle Einschränkungen haben dazu geführt, dass heute Physik- und Chemie-Unterricht nur noch theoretisch und nicht mehr experimentell angeboten wird, Kunstunterricht komplett fallengelassen wurde und Museumsbesuche nur noch in einem nahegelegenen Naturhistorischen Museum möglich sind. Da Jungs im Unterricht wenig aktiv und herausgefordert sind, wird immer gern das Internet zur Information herangezogen. (Worüber in Teil 2 ausführlich gesprochen wird

So erstaunt es nicht, dass Jungen, erstmalig in der Geschichte der U.S.A. weniger Ausbildung erhalten, als ihre Väter. Mädchen überfliegen die Jungen dagegen auf praktisch jeder Ebene, von der Grundschule bis zur Universität. In den U.S.A. sind in der 8. Klasse nur 20% der Jungen flüssig im Schreiben, 24% im Lesen. Mädchen dagegen kommen auf 41% im Schreiben und 34% im Lesen. Auf nationaler Ebene sind es die Jungen, die zu 70% mit Fünf und Sechs bewertet werden.

Ähnliche Zahlen sind weltweit dokumentiert. Die Organization for Economic Co-Operation and Development (OECD) belegte, dass Jungen häufiger sitzenbleiben als Mädchen und generell schlechtere Noten haben. In einigen Ländern, wie Schweden, Italien und Polen weist die PISA-Studie für Lesefähigkeit eine Leistung der Mädchen von ein-bis eineinhalb Jahren über der von Jungen aus. 

Christina Hoff Sommers, vom American Enterprise Institute for Public Policy Research, führte in ihrem Buch The War Against Boys weitere Benachteiligungen von Jungs aus: 

… Mädchen sind stärker in den Studentenparlamenten, den Verbindungen und bei Schülerzeitungen präsent. Sie studieren mehr zu Hause, sind oft ehrenamtlich engagiert, lesen mehr Bücher und übertrumpfen männliche Mitschüler in Tests, bei denen es auf Kunst- und musikalische Fähigkeiten ankommt und lassen generell Jungen bei Erfolgen in der Klasse alt aussehen. Auch werden weniger Mädchen der Schule verwiesen, oder bleiben sitzen… Die Erziehungsexperten sagen dazu, dass Mädchen akademisch engagierter sind.

Zwei Drittel der Studenten in Nachhilfeprogrammen sind männlich. Das ist keine Frage des IQ, sie strengen sich einfach nicht genug an, was sie wiederum ungeeigneter für berufliches Fortkommen macht. Das trifft noch stärker auf männliche Bewerber mit Migrationshintergrund zu.

Zwischen 1999 und 2019 fiel der Anteil von Männern im Alter von 16 bis 24 Jahren im Beruf um 17%, eine Zahl die in den kommenden 10 Jahren noch deutlich steigen wird. Andere Länder, wie Italien, Frankreich, Spanien, Schweden, und Japan, verzeichneten alle einen mehr als fünffachen Anstieg bei der Arbeitslosigkeit junger Männer. Die OECD vermeldet, dass die Arbeitslosigkeit der Männer in ihren 20er und 30er Jahren von 2% im Jahre 1970 auf 9% 2012 wuchs. Das bedeutet einen enormen Zuwachs von Millionen jungen Männern, die nicht arbeiten.

Die wachsende Zusammenarbeit der globalen Ökonomie bedeutet, dass Konjunkturschwankungen weitere tiefreichende Auswirkungen für alle Nationen haben werden. Die globale Rezession von 2009 war bisher die Schlimmste seit dem 2. Weltkrieg und führte zu einem exponentiellen Anstieg von Arbeitslosigkeit. Die Jobverluste trafen Männer härter als Frauen. In den U.S.A. verdoppelte sich die Arbeitslosenrate von Männern zwischen Januar 2008 und Juni 2009.

Das Gesundheitswesen –zu einem großen Teil von Frauen dominiert- blieb von Arbeitslosigkeit einigermaßen verschont, während Industrie und Konstruktion, wo zumeist Männer arbeiten, etwa die Hälfte der 6,5 Millionen Arbeitskräfte in der Rezession, die 2007 begann, verlor.

Die allgemeine Arbeitslosigkeit verringerte sich in den vergangenen Jahren, für Männer, wie Frauen, doch wuchsen die Zahlen im vergangenen Jahr deutlich, durch das Auftreten von COVID 19, was zu großen Unsicherheiten in der Industrie führte. 

Was kann man tun?

Es steht außer Frage, dass das derzeitige Erziehungssystem am Ende ist. 

Das Wege zum Erfolg-Projekt warnt, dass ein Scheitern der Reformen des Systems dazu führen wird, dass das „Gewebe unserer Gesellschaft erodieren wird“. Die Ungleichheit der Ökonomie wächst. Wenn die jungen Menschen von heute nicht besser darauf vorbereitet werden, die Herausforderungen der Zukunft anzupacken, wird ihre Animosität gegenüber ihren begrenzten Möglichkeiten nur noch mehr wachsen, wenn sie wegen hoher Lebenshaltungskosten in ihrem Sozialstatus absteigen.

Die Kosten, die dadurch der Allgemeinheit aufgebürdet werden, steigen immens; doch am Schlimmsten wird sein, dass viele ihrer möglichen Beiträge zur Gesellschaft nicht realisiert werden.

Als wir Schüler befragten, welches noch nicht existierende Fach sie in der Schule angeboten sehen möchten, wünschten sich etwa ein Drittel unabhängig voneinander ein Fach „Lebensbewältigung“, das u.a. Anleitung zur persönlichen Geldverwaltung, Bewerbungsgespräche, Problembewältigung als Erwachsene und Einschnitte im Leben, wie Tod eines Nahestehenden behandeln solle.

Einige Studenten schämten sich, nicht zu wissen, wie man ein einfaches Ausgabenbudget erstellt oder dass sie Bankbelege ihres Kontos nicht lesen können. Ein Student verstieg sich sogar zu der Bemerkung: „Die Tatsache, dass es ein solches Fach nicht gibt, könnte der Grund sein, dass viele Jugendliche nicht aus ihrem Elternhaus ausziehen wollen.“

Pausen sollten auch ein Comeback feiern. Vor 30 Jahren gab es in der Grundschule zwei Pausen pro Schultag. Viele Schulen bieten nur noch eine Pause an und manche haben Spiel- oder Freizeit ganz abgeschafft. Es gibt also keine Möglichkeit mehr für Jungs, ihre überschüssige Energie herauszulassen, außer im Klassenzimmer.

Schließlich brauchen wir mehr Anreize für Männer, Lehrerpositionen zu übernehmen. Eine Alternative wäre auch, Gender-Spezifische, aber nicht Gender-Blinde Klassen anzubieten. Jungen wollen nicht dieselben Bücher wie Mädchen lesen und lernen auch nicht auf dieselbe Weise, wie Mädchen es tun. Mädchen können ebenso von Monoedukation profitieren. Eine Studie belegte, dass Mädchen, die eine Physikklasse nur für Mädchen besuchten, weniger als die aus einer koedukativen Klasse dachten, dass Physik nur etwas für Jungs sei.

Die National Association for Choice in Education (NACE), ist eine exzellente Quelle für Information über Monoedukation. Ein anderes gutes Programm findet man unter Project Lead the Way (PLTW), einer Non-Profit Organisation, die mit allen Schulen, von der Grundschule an, bis zur Hochschule arbeitet und Lehrer so ausbildet, dass sie ihr Wissen auf Projektbasis weitergeben und Schüler so unterrichten, dass sie Kenntnis und Fähigkeiten in Wissenschaft und Technologie erwerben, was ihnen hilft, in ihrem künftigen Berufsleben zu bestehen.

Dieser Blog wurde publiziert vom Institute for Family Studies


(ins Deutsche übertragen von Horst Niederehe)