Das hört sich so an, als ginge es um Accessoires und Lifestyle – wie ich meine Haare trage, welche Sportart mir gefällt, ob ich in den Ferien lieber an die See oder in die Berge fahre. Nach dem Motto: Jeder wie er will, solange es nicht schadet. Aber genau da liegt der Denkfehler: Ob mein Kind im christlichen Glauben erzogen wird oder nicht, das ist keine Nebensache, und wenn das fehlt, dann schadet es dem Kind massiv! Außerdem: wenn wir als Eltern die Entscheidung nicht treffen, dann tun es andere – lange bevor das Kind selbst die „Wahl“ hat!

Kein Kind ist eine tabula rasa, ein unbeschriebenes weißes Blatt, bis es dann als Erwachsener plötzlich eine gut begründete Entscheidung trifft. In Kindergarten und Schule, auf dem Spielplatz und beim Sport, in den Medien und (immer früher im Leben der Kinder) über die Social Media werden die noch Unmündigen ununterbrochen beeinflusst, aus allen Richtungen, im Guten und im Schlechten. Wer meint, mit trockenen religiösen Wahl-Menus dagegen halten und den Geist des Kindes „offenhalten“ zu können, der ist entweder naiv oder denkfaul.

Bei dem was wirklich wichtig ist, lässt es kein Mensch einfach „mal darauf ankommen“! Wer käme auf die Idee, sein Kind müsse „selbst die Erfahrung machen“ wenn es um heiße Herdplatten, das Überqueren von Straßen oder auch den Drogenkonsum geht? Wer ließe sehenden Auges sein Kind in eine bizarre Sekte gehen, wo ihm Hirnwäsche und zweifelhafte Praktiken drohen, nur um ihm nicht vermeintliche Wahlmöglichkeiten zu nehmen? Das wäre absurd, nicht „liberal“ sondern nur verantwortungslos.

Und – seien wir doch ehrlich – nicht einmal bei den kleinen, eher unwichtigen Dingen, den Accessoires des Alltagslebens, oder den Adiaphora[1] in Erziehung und Charakterbildung sind wir so „offen“ und so „liberal“ wie es die Frage suggeriert – und natürlich aus gutem Grund! Auch das Urlaubsziel wird ja in der Familie nicht nach Gutdünken eines jeden festgelegt, sonst gibt es nun mal keinen gemeinsamen Urlaub. Und die sechsjährige Tochter allein verreisen zu lassen ist sicher keine Option. Oder wer würde die „Wahl“ seines Kindes „respektieren“, stets nur Marshmallows und Smarties zu frühstücken?

So formuliert klingt das selbstverständlich und irgendwie banal. Aber in Sachen Glaubensweitergabe ist es leider gar nicht selbstverständlich. Je weniger wir unseren Glauben in der Familie leben, desto größer ist das Risiko, das unsere Kinder ihn verlieren. Es ist ganz einfach, ein Mechanismus, zu dessen Erklärung wir keine Fachleute brauchen: Wenn die Eltern nie in die Kirche gehen, dann tun es die Kinder auch nicht. „Wir wollen sie nicht zwingen“ oder „das wäre kontraproduktiv“ heißt es dann, und außerdem „gehen sie ja in den Religionsunterricht“. Aber das elterliche Beispiel wirkt sehr viel stärker als der beste Religionslehrer. Sagen wir hier „sie sollen selbst…“, dann meinen wir „es ist uns egal“. Das sollte es nicht sein.


[1]Von altgriech. ἀδιάφορος (adiáphoros), gleichgültig, weder gut noch schlecht, indifferent. Ursprünglich Begriff aus der Philosophie der Stoa, „Mitteldinge“, „Erlaubtes“ bezeichnend. Vgl. a. RGG Bd. 1, 93 ff.