Am dritten Advent ist schon die Hälfte der Strecke zum Weihnachtsfest geschafft. Leider bedeutet das in unserem Alltagsleben aber auch, dass die „vorweihnachtliche Hektik“ noch zunimmt. Es gibt nicht selten eine Art Weihnachtsmüdigkeit; manche Leute flüchten regelrecht vor Weihnachten, in die Karibik oder zum intensiven Ski-Fahren. Es soll sogar Fälle echter vorweihnachtlicher Depression geben, weil wir uns einfach zu viel vornehmen, das Gefühl bekommen „im Stress“ zu sein und nicht alles „schaffen“ zu können.  Da ist es ein rettender Hinweis, dass der dritte Adventssonntag einen ganz besonderen Namen hat: Gaudete[1]!

Gute Zeit um glücklich zu sein…

„Heute ist ein guter Tag um glücklich zu sein…“[2] – dieser Liedtext passt auch auf die Adventszeit; vielleicht nicht im Stil und nicht für jeden Tag, aber er passt irgendwie zum Sonntag „Gaudete“. Denn dieser Tag in der Adventsmitte ist ein einziger Aufruf zum Glücklichsein. Nun kann man sagen, dass es paradox sei, so zur Freude aufzurufen; das könne man ja nicht anordnen. Und doch gehört der Aufruf „freut Euch“ in jeder Kultur zum selbstverständlichen Vorrat an Sprach-Mustern; es ist ein Akt der Ermunterung und des Trostes, ein elementarer Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens.

Die Kirche bewahrt und tradiert seit alters nicht nur den Schatz des christlichen Glaubens, sondern auch ein gewaltiges Erfahrungswissen über den Menschen und die Conditio humana[3]. Es ist also kein Zufall, dass der dritte Adventssonntag mit einem fast plakativen Aufruf zur Freude daherkommt. Denn nicht erst in unserer hochindustrialisierten arbeitsteiligen Gesellschaft macht die anfängliche gute Stimmung mit der wir in den Advent gehen, manchmal Platz für Desillusionierung und sogar Trübsinn. Um so mehr ist eine Wende, eine Umkehr angesagt…

Rosige Aussichten

Wir sollen nun daran erinnert werden, dass nicht nur die Geburt des Jesus Christus vor zweitausend Jahren ein freudiges Ereignis war, etwas in der Vergangenheit eben, sondern dass sich durch die Geburt des Erlösers etwas grundsätzlich zum Besseren geändert hat, ein für alle Male[4]. Wir halten inne, um uns das wieder bewusst zu machen, was wir eigentlich schon wissen, aber vielleicht nicht mehr so richtig ernst nehmen.

Auf vielen Adventskränzen ist – zur optischen Hervorhebung des Gaudete-Sonntags – die dritte Kerze anders gefärbt, meist rosafarben[5]. Die  Farbe der Kerze und eigentlich auch der Messgewänder an diesem Tag ist absichtlich so ungewöhnlich und auffallend. Neigen wir doch unter dem Druck des Arbeitslebens und der Weihnachtsvorbereitungen dazu, auch das Außergewöhnliche wie selbstverständlich abzuhaken („Ja, okay. Jetzt ist das mit der Freude dran…). Wir sollen aber aus dem Alltags-, Arbeits- und Gedanken-Trott herausgerissen werden: Hey, cool! Hier darf man sich freuen! Echt jetzt!

Ihr seht aber nicht fröhlich aus

Von Friedrich Nietzsche[6] ist ein Satz bekannt, mit dem er seine Abneigung gegen die christliche Religion gleich noch in einen Vorwurf an ihre Anhänger umprägte: „Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen!“[7] Manche Christen fühlen sich dadurch getroffen und herausgefordert – sind wir nicht tatsächlich zu sorgenvoll und negativ? Es ist ein beliebtes Motiv für selbstkritische Predigten und Ansprachen im kirchlichen Raum. Aber der literarisch verpackte Vorwurf ist doch sehr oberflächlich. Muss der Arzt gesund und frisch aussehen, damit man seiner Heilkunst trauen kann?

So gewiss Pessimismus und Misanthropie nicht zum Christsein passen, so gewiss verfehlt doch  Nietzsches Vorwurf sein Ziel. Denn die Gläubigen sind ja keine religiösen Superstars oder Schwerathleten, nicht einmal die Heiligen sind das. Und niemand erwartet, dass die Gläubigen ständig jubilieren. Gott sei Dank müssen wir keine „Übermenschen“ im Sinne Nietzsches werden. Die Freude des Advents gibt es ganz einfach so, ohne Vorleistung, und man geht ihrer auch nicht verlustig, wenn man nicht zu permanentem Strahlen und Jubeln neigt. Die Freude des Advents ist  einfach stille Zuversicht, getröstetes Blicken in die Zukunft, Warten auf das Kommende ohne Panik.

Vorsicht – Freude steckt an!

Die Advents- bzw. Weihnachtsfreude ist als Frucht des Glaubens „gratis“[8]; aber man muss sie einfach weitergeben. Sie ist nämlich ansteckend. Und hierin besteht letztlich auch der tiefere Sinn des Schenkens zu Weihnachten: Weniger um die Nachahmung der drei Weisen geht es, die dem Jesus-Kind symbolträchtige Geschenke brachten, als vielmehr um den  Ausdruck einer spontan mitteilsamen Freude. Und mit so etwas wie dieser Freude können wir uns – wenn wir es wollen – schon vor Weihnachten, am Sonntag Gaudete, anstecken lassen.

So wie Glaube, Hoffnung, Liebe[9] Tugenden sind, die in der Gemeinschaft gelebt werden, so ist es auch die Freude. Man kann gar nicht anders als sie weiterzugeben, zumindest dem Anderen „eine Freude zu machen“.


[1]Lat.: „Freut Euch!“

[2]https://music.youtube.com/watch?v=DvAgZG1HJDs&list=RDAMVMDvAgZG1HJDs

[3]Die Befindlichkeit des Menschen schlechthin – als sterbliches Wesen, aber auch als soziales Wesen.

[4]Die Menschwerdung Gottes hat für das Leben der Menschen – aller Menschen – gewissermaßen die „Geschäftsgrundlage“ verändert: Ein gutes Ende ist jetzt garantiert; der Verzweiflung der Boden entzogen.Wenn das nicht Grund zur Freude ist!

[5]Damit einher geht die „liturgische Farbe“ Rosa für die Messgewänder der Priester. Ebenso ist es am Sonntag „Laetare“ während der Fastenzeit, quasi einem „Zwilling“ des dritten Adventssonntags. Leider haben nicht alle Priester extra für diese beiden einzelnen Sonntage die vorgesehenen rosafarbenen Messgewänder.

[6]Das Denken dieses deutschen Philosophen prägt unsere Gegenwart noch stärker als man annehmen sollte. Und das gilt nicht nur für Deutschland und Europa. Auch in Ostasien ist Nietzsche noch heute einer der bekanntesten deutschen Philosophen und wird relativ viel gelesen. Wogegen Edmund Husserl oder Joseph Pieper weniger rezipiert zu werden scheinen.

[7]Aus „Also sprach Zarathustra“, 2. Teil. Die Musik der Christen kann er nicht gemeint haben; sie steht an der Wiege jeder guten Musik, von der Gregorianik über Vivaldi und Bach bis zur Gegenwart. Die „Lieder“ hier dürften sich  auf Lehre, Liturgie und Lebenspraxis beziehen.

[8]Das Wort hat die selbe Wurzel wie „Gratia“, Gnade.

[9]Vgl. die Beiträge zu den „göttlichen“ oder „theologischen Tugenden“.