Vor Kurzem war ich zu einer Jubiläumsfeier eingeladen. Ein Priester feierte den fünfzigsten Jahrestag seiner Priesterweihe. Das ist so etwas wie eine goldene Hochzeit, fast noch ein wenig eindrucksvoller, scheint doch so ein zölibatär lebender Priester irgendwie allein durch ein halbes Jahrhundert gehen zu müssen. Beachtlich! Wo doch schon so wenige Ehepaare es über die ganze Distanz schaffen… 

Aber von Einsamkeit oder Tristesse war da nichts zu spüren. Er fühlte sich gewissermaßen der Kirche vermählt und hatte ihr sein ganzes Leben, seine Talente und seine Treue gewidmet. Ich ertappte mich dabei, dass ich mir diesen Priester in seiner Kirche vorstellte, wo er – wie Don Camillo in dem legendären Film – mit Jesus Christus am Hochaltar freundschaftlich humorvoll spricht… Zur Feier waren natürlich die Geschwister des Jubilars erschienen, viele andere Familienmitglieder, etliche Mitbrüder im geistlichen Amt und zahlreiche Gläubige, junge und alte, aus verschiedenen Phasen seines priesterlichen Lebens. Und alle freuten sich an der ungebrochenen Begeisterung des Priesters für seine Berufung. Mich beeindruckte am meisten seine Dankbarkeit und fast kindliche Freude, mit der er darüber sprach, wie er trotz schwerer Krankheiten und vieler Widrigkeiten sich immer getragen und begleitet gefühlt hatte. Zudem hatte er in einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen, angefangen Bücher zu schreiben und seine Gedanken und Erfahrungen einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein solches Leben, so sagt man wohl zu Recht, kann man nur mit einer besonderen göttlichen Gnade leben…

Eine andere Szene: In einer deutschen Auslandsgemeinde in einem kleinen Land in Asien, in dem die Kirche zwar frei leben kann, aber nur eine winzige Minderheit ist. Es wird Erstkommunion gefeiert. Unter den Konzelebranten ist ein Priester aus China, schon recht betagt, aber aufrecht und lebhaft, mit einer freundlichen und optimistischen Ausstrahlung. Er ist nur zu Besuch hier, hat aber die

Einladung des deutschen Pfarrers gern angenommen und gibt den Erstkommunionkindern auch seinen Segen. Bei der kleinen Feier die sich anschließt, kann er nur kurz bleiben; bescheiden wie er ist, will er sich nicht aufdrängen. Erst später erfahre ich mehr über diesen Priester.

Er stammt aus einer kinderreichen Familie; mehrere seiner Brüder und Schwestern sind Priester bzw. Ordensleute. Sie alle haben unter der blutrünstigen Diktatur Maos gelitten und haben Furchtbares erlebt. Sie alle blieben aber ihrem Glauben treu und wussten, wofür sie ihr Leben einsetzten, bis zum Schluss. Er selbst hat 27 Jahre für seinen Glauben im Gefängnis gesessen. Ich war sprachlos; es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen echten Bekenner, einen Confessor – wie aus der Zeit der ersten Christenverfolgungen – getroffen habe. Wie er in seinem Glauben ruhte, welchen Frieden und welche Freundlichkeit er ausstrahlte, nach all dem Erlittenen. Auch das kann man wohl nur mit einer besonderen Gnade…

Ein drittes Erlebnis: Zwei junge Männer schließen sich einer Wallfahrt nach Lourdes an, die von einer katholischen Ordensgemeinschaft organisiert wird. Es geht um eine Gruppe von Behinderten, die alle ganztägige Betreuung brauchen. Ein paar Pfleger sind dabei, aber die Hauptlast der Betreuung wird von jungen Freiwilligen geleistet. Die beiden jungen Männer (meine Söhne) bekommen jeweils einen Kranken zugeteilt. Sie helfen „ihrem“ Kranken bei allem, beim Aufstehen und Waschen, beim Essen und in der Kirche, und abends singen oder lesen sie mit ihnen und bringen sie ins Bett. Ohne die jungen Betreuer, die übrigens so etwas noch nie zuvor gemacht haben, könnte keiner der Kranken an der Wallfahrt teilnehmen. Am Ende ziehen sie gemeinsam mit der Prozession zur Lourdes-Grotte und beten miteinander. Die Schicksale der Kranken sind oft beklemmend, es tut weh sie erzählen zu hören. Aber diese Tage der Wallfahrt sind erfüllt mit einem ganz außergewöhnlichen Optimismus, mit Freude und – mit Dankbarkeit. Zweifellos eine besondere Gnade… 

Ja, es ist viel los in der katholischen Kirche – bei großen Weltjugendtagen und bei kleinen Familienwallfahrten, in winzigen Diasporagemeinden und bei Hochämtern in herrlichen Kathedralen, in unzähligen Gemeinden auf der ganzen Welt, in „Wachstumsregionen“ der Kirche in Afrika und Asien, und in saturierten, etwas überreizten Gesellschaften im „Westen“. Und – nur am Rande sei es erwähnt – es hat wohl noch nie eine Zeit mit so vielen Bekennern und Märtyrern gegeben, denn in vielen Ländern werden Katholiken und überhaupt alle Christen verfolgt und bedrängt, in größerer Zahl denn je.

Aber unsere Öffentlichkeit, sehr viele Gläubige und fast alle Verantwortlichen in der kirchlichen Hierarchie scheinen momentan wie gebannt und fast ausschließlich auf die perversen Untaten jener zu blicken, die das geistliche Amt beschmutzt und die Lehre der Kirche mit Füßen getreten haben. Ja, Abgründe tun sich auf, und die Verworfenheit dieser Abtrünnigen (anders kann ich sie nicht nennen) erscheint mir auf beklemmende Weise personifiziert in einem Bischof, bis vor kurzem gar Kardinal, der wie eine Art Antichrist aus einem billigen Hollywoodfilm über die Weltbühne geistert. Was für ein Auftritt! Wenn ich von all diesen Perversionen und Apostasien in der Zeitung lese, dann kommt es mir vor wie eine unwirkliche Projektion aus einem bösen Paralleluniversum – formal im kirchlichen Gewand, aber darunter auf bizarre Weise falsch und verderbt. Beim Apostel Paulus findet man den richtigen Kommentar dazu: „Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben“ (1 Kor 6, 9f).

Es liegt eine tiefe Weisheit – mehr noch: eine Gnade – in den sog. „Evangelischen Räten“ (Consilia Evangelica): Keuschheit, Armut und Gehorsam. Sie sind die Grundlage des geweihten Lebens (z.B. in den Gelübden von Ordensleuten); richtig verstanden und ausgelegt sind sie (wenn auch in anderer Weise) für alle Gläubigen relevant. Wo sie aber verlacht, vergessen und verraten werden, da kann nicht mehr richtig Kirche sein. Die Kirche wird bedrängt und angegriffen wie selten zuvor, nicht nur von außen, sondern auch von innen – durch das trojanische Pferd des moralischen Relativismus und des Glaubensverlustes.
Aber, Gott sei Dank, die Kirche lebt trotz allem in ihren Priestern und in ihren Gläubigen – und ich bin sicher, dass fast alle Gläubigen ähnliche Beispiele wie die drei eingangs erwähnten kennen. Also, lassen wir die Kirche im Dorf! Leben wir in dieser Zeit der Anfechtung unseren Glauben umso lebendiger. Zeigen wir, was in der Katholischen Kirche steckt! Gehen wir regelmäßig zur Sonntagsmesse, mit unseren Kindern, beten wir vor Tisch, auch in der Öffentlichkeit, und schämen wir uns nicht, öffentlich das Kreuzzeichen zu machen! So zeigen wir, dass es uns um den Herrn der Kirche geht, um Jesus Christus!

(wird fortgesetzt)