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Es gibt im Neuen Testament einige Stellen, die uns irritieren können, weil sie auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem zu stehen scheinen, was uns Anstand und Klugheit gebieten: Stellt nicht Jesus im „Gleichnis von ungerechten Haushalter“ das Verhalten eines überführten Betrügers als vorbildlich dar, obwohl sich dieser dann auch noch der Bestechung bedient, um seine missliche Lage zu bessern? Und ist es wirklich angebracht, sich nicht um Einkommen und Wohlstand zu kümmern, wie es in einer anderen Gleichnisrede heißt, weil ja Gott doch „das Gras auf dem Feld“ so schön gemacht habe? Müssen wir uns Sorgen machen, dass christliche Ethik zu Schlitzohrigkeit und Faulenzerei verführt? Die Kirchengeschichte lehrt etwas Anderes; fromme Christen sind in der Regel ehrlich und fleißig, weshalb dieser Vorwurf offenbar so absurd ist, dass sich nicht einmal fanatische Kirchenhasser seiner bedienen. Was aber ist dann gemeint? Müssen wir das alles irgendwie „weginterpretieren“? Oder enthalten diese Passagen des Neuen Testaments womöglich eine Erkenntnis, die sogar hilfreich für Haushälter und Finanzexperten sein könnte? Ganz zu schweigen von Erziehern …
Ein Betrüger als Vorbild?
Der ungetreue „Haushalter“ im Gleichnis Jesu[1] wird beschuldigt, das Vermögen seines Herrn verschleudert zu haben; er wird zur Rechenschaft gezogen und gefeuert. Aber vor seinem Abgang macht er sich bei den Schuldnern seines Herrn noch dadurch beliebt, dass er sie geradezu nötigt, zu ihren Gunsten gefälschte Schuldscheine anzunehmen. Das alles in der Erwartung, sie würden ihn nach seinem Rauswurf „in ihre Häuser aufnehmen“. So fügt er der finanziellen Untreue noch ein weiteres Vergehen hinzu und sichert sich mit fremdem Geld seinen Lebensunterhalt.
Da es sich um ein Gleichnis handelt, hat es keinen Sinn, sich klügelnd an der Kernaussage vorbei zu drücken, indem man z.B. versucht, mildernde Umstände für den „Haushalter“ zu finden, oder den Eigentümer in ein schlechtes Licht zu rücken. Es geht nicht darum, dass der „reiche Mann“ etwa wegen seines Reichtums böse sei, oder der Haushalter womöglich eine Art Robin Hood. Ebensowenig geht es hier um die Verurteilung von Untreue und Bestechung, was allzu vordergründig wäre und worüber zwischen Jesus und seinen Zuhörern ohnehin Einigkeit bestand. Es geht vielmehr darum, dass jene Menschen, die so leben, als ob es keinen Gott gebe[2], „im Umgang mit ihresgleichen“ klüger sind, als die Frommen[3].
Eintrittskarte in den Himmel?
Die ausdrückliche Handlungsaufforderung in dem Gleichnis lautet, mit Jesu eigenen Worten: „Macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht!“ Mit diesem letzten Satz haben wir nun aber, vordergründig betrachtet, wieder ein Problem: Von den „Kindern der Welt“, also denen, die nicht unseren Glauben und unsere „Werte“ teilen, Klugheit zu lernen, um im Lebenskampf zu bestehen, das ist eine Sache. Das kann man noch verstehen; warum sollte man schließlich nicht versuchen, ebenso clever zu sein wie ein erfolgreicher Finanzjongleur, solange es mit rechten Dingen, also ehrlich zugeht…? Aber geht die Aussage des Gleichnisses nicht darüber hinaus? Es heißt doch: „…damit Ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht“. Klingt das nicht so, als könne man sich den Weg in den Himmel mit Geldmitteln ebnen?
Das Rätsel ist leicht zu lösen, wenn man die zweimalige Erwähnung des Aufnehmens im Gleichnis betrachtet: So wie der clevere Verwalter zu verhindern wusste, nach seiner Entlassung auf der Straße zu landen, so sollen auch die Gläubigen Sorge tragen, dass sie nicht dumm dastehen, „wenn es zu Ende geht“. Das Wort für „zu Ende gehen“ im altgriechischen Urtext[4] kann sich auf das Geld beziehen, das irgendwann zur Neige geht; so ist es eine genaue Parallele zum ungetreuen Verwalter, dem infolge seines Rauswurfs auch die Geldmittel ausgehen. Aber es kann sich auch auf das Ende des Lebens beziehen, wofür die Erwähnung der „ewigen“ Wohnungen spricht. In jedem Fall ist die Geldwirtschaft hier quasi eine Metapher: Nutzt die Möglichkeiten der Welt für Euch, seid nicht dumm oder untätig[5] – aber nutzt sie zum Guten!
Vom rechten Umgang mit Besitz
Die folgenden Zeilen des Gleichnisses lassen keinen Zweifel daran: „Wer in den kleinen Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen“ (Lk 16, 10). Mit anderen Worten: Wir sollen uns nicht dümmer anstellen als die „Kinder der Welt“, aber wir dürfen uns der materialistischen und kalten Logik der Welt nicht unterwerfen. Das ist mit dem fulminanten Schlusssatz des Gleichnisses gemeint: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ Wiederum tritt hier „in nuce“ die kirchliche Soziallehre vor unsere Augen: Weder Fixierung auf Geld und Reichtum, noch kruder Antikapitalismus, sondern kluges und gerechtes Wirtschaften. Für den Einzelnen bedeutet das: „Heiligung“ in der Arbeit, verantwortliche Nutzung von „weltlichen“ Mitteln, aber nicht als Selbstzweck.
Anleitung zum Untätigsein?
Aber wie passt das zu jener anderen Gleichnisrede Jesu (Mt. 6, 19-34), in der er der völligen materiellen Sorglosigkeit das Wort zu reden scheint? Er sagt dort sehr pointiert: „Sorgt Euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt!“ (v. 25). Weil die Blumen des Feldes so schön sind, sollen wir uns nicht beunruhigen; Gott wird schon für uns sorgen… Anleitung zum permanenten „Chill Out“? Steht das nicht im Widerspruch zur Klugheit, deren sich die „Kinder des Lichts“ befleißigen sollen? Der scheinbare Widerspruch löst sich schnell auf, wenn man die ganze Passage liest: Da ist die Rede von der Finsternis, die im Inneren des Menschen herrschen kann (v. 22f.). Und auch hier heißt es „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (v. 24).
Innere Freiheit
Gemeint ist ganz offensichtlich nicht Untätigkeit, sondern eine Haltung der inneren Freiheit, in der wir uns nicht von den materiellen Sorgen und Begierden versklaven lassen. Und das ist nun wirklich etwas, das wir praktisch alle kennen: diese permanente bzw. uns immer wieder hoch kommende Beunruhigung, im Wissen um die Unberechenbarkeit und Gefährdung unseres materiellen Seins, im Kleinen und im Großen. Das gilt für den prekär Beschäftigten ebenso wie für den Superreichen. Nie weicht die unterschwellige Sorge, dass etwas schiefgeht, dass man etwas verliert, Geldwertes, Materielles. Und wenn das immerzu in unserem Unterbewusstsein steckt, dann sind wir sogar in Wohlstand und materieller Sicherheit immer noch Sklaven – Sklaven des Materiellen, des Mammons. Und wir alle wissen, wie zerstörerisch diese Haltung ist: „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, und sogar Familien zerbrechen am Streit um Besitztümer und geldwerte Vorteile.
Es zeigt sich, dass beide Gleichnisreden Jesu uns die selbe Botschaft übermitteln, eine Botschaft der Freiheit, die auf Gottvertrauen baut: „Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird Euch alles andere dazugegeben“ (Mt. 6, 33). Wir werden ermutigt, klug zu sein und aktiv, aber wir haben eine höhere Rückendeckung und müssen nicht ununterbrochen Sorge auf Sorge häufen und immerzu mit gerunzelter Stirn in die Zukunft blicken, denn „jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage“ (v. 34). Geben wir Gott den ersten Platz in unserem Herzen, statt dort den „Mammon“ herrschen zu lassen, dann vergiftet auch nicht die Sorge um den Lebensunterhalt unser Inneres und unser Leben.
[1]Lk. 16, 1-9.
[2]Ebd. v. 8: „Die Kinder der Welt“
[3]„Die Kinder des Lichts“.
[4]Ebd. v. 9, „…wenn es zu Ende geht“: ὅταν ἐκλίπῃ – Aor. Konj. von ἐκλείπω aufhören, zu Ende gehen, erlöschen.
[5]Vgl. dazu auch das Gleichnis von den anvertrauten Talenten, Mt. 25, 14-30 und Lk. 19, 11-27.