Als Eltern wissen wir nur zu gut, dass Kinder ihre Lieblingsbücher immer und immer wieder gerne lesen möchten. Die Wiederholungen mögen zwar die vorlesenden Erwachsenen nerven, doch liegt für die Kinder etwas im Text, was sie jedes Mal auf neue anzieht. Kinder profitieren sehr vom wiederholten Lesen, denn sie lernen dabei Reime oder vorhersagbare Muster des Textes zu erkennen, aber weniger, welche Inhalte das Buch hat. Es ist belegt, dass wiederholtes Lesen von Lieblingsbüchern den Wortschatz um bis zu 40% steigern kann, doch wirkt dies nur, wenn der Text laut vorgelesen wird.

Untersuchungen zeigen, dass bei Vorschulkindern, denen häufig vorgelesen wird, Hirnareale für Verständnis und Bildvorstellung aktiviert werden. Die Studien belegen zudem, dass so die Entwicklung der Lesefähigkeit, insbesondere der Worterkennung gefördert wird, wenn sie Lesen lernen. Wenn wir den Kindern so helfen, diese Fähigkeit zu entwickeln, stellen wir sicher, dass sie wissen, dass Texte eine Botschaft befördern und sie werden versuchen, auch dann weiterzulesen, wenn sie in einem Text über ein unbekanntes Wort stolpern.

Man kann mit dem Vorlesen nicht früh genug beginnen. Der australische Autor und Professor für Literatur Mem Fox sagt, dass Vorlesen von Geburt an helfen kann, dass Kinder Liebe und Verständnis für Bücher entwickeln.

Nicht überzeugt? Hier sind fünf Gründe, weshalb Kinder vom Vorlesen profitieren:

Verbesserung des Leseflusses

Flüssigkeit beim Lesen ist essentiell, um das Selbstvertrauen der Leser zu stärken. Man sollte sich aber davor hüten, nur die Lesegeschwindigkeit zu betrachten. Der Forscher Timothy Rasinski hebt die Bedeutung der „Brücke“ hervor, die beim Lesen Worterkennung und Inhaltsverständnis verbindet. Flüssiges Lesen mit normalem Lesetempo hilft sicherzustellen, dass das Verständnis für den Inhalt des Gelesenen gewahrt bleibt.

Wer seinem Kind vorliest, bietet ihm ein Modell für gutes Lesen. Das Kind entwickelt Sinn für Geschwindigkeit und Rhythmus, die beide wichtig sind für flüssiges Lesen und ihm helfen, den Stoff zu begreifen. Es hilft dem Kind, sich selbst als flüssigen Leser zu hören. Deshalb sollte man ein Lieblingsbuch wählen und im Stil sog. Echo-Lesens jeweils Satz für Satz vorlesen und dann das Kind den Satz wiederholen lassen. Wenn Kinder sich selbst so als selbstsichere und flüssige Leser „hören“, überwinden sie leichter die Scheu, jedes Buch als Herausforderung anzusehen.

Erweitert den Sprachschatz

Forschung belegt, dass ein guter Sprachschatz wesentlich ist, um zu gewährleisten, dass Kinder unterschiedliche Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen anwenden können. Es liegt auf der Hand, dass sie, je mehr Wörter sie kennen, umso eher Gefallen am Selbstlesen finden. Natürlich werden in der Schule Vokabeln gepaukt, doch können Eltern ihren Kinder auch zu Hause beim Erlernen neuer Begriffe helfen, wenn sie ihnen ihre Lieblingsbücher vorlesen. Wenn das Buch zum ersten Mal gelesen wird, sollte man mit dem Kind die Seiten durchgehen und nach Wörtern Ausschau halten, denen das Kind wohl vorher noch nicht begegnet ist. Diese Begriffe sollten in ihrer Bedeutung erklärt werden und man wird mit dem Kind überlegen, ob es sie vorher schon einmal gehört hat.

Hilft Verstehen

Erfolgreich Lesen hat zum Ziel, zu verstehen, was man liest. Wenn wir als Erwachsene etwas nicht verstehen, gehen wir zunächst zurück und lesen die Stelle noch einmal. Dies ist ein wichtiger Schritt, den unsere Kinder verinnerlichen müssen, damit sie zufriedene Leser werden können. Auch hier hilft Vorlesen, um zu begreifen, was in dem Buch ausgesagt ist, wenn da, wo nötig, wiederholt wird. Vor dem Lesen kann man schon mal über den Inhalt des Buches sprechen, um mit dem Kind zu spekulieren, was wohl geschehen wird. Gespräche während des Vorlesens und danach bieten die Möglichkeit, unmittelbar das Verständnis für den Lesestoff zu festigen.

Die Familie ist gefragt

Väter und andere männliche Bezugspersonen spielen meist eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Kinder zum aktiven Lesen zu ermutigen. Zwar verbringen die Mütter meist mehr Zeit mit ihren Kindern und lesen ihnen häufiger vor als die Väter, doch gibt es Forschungsergebnisse, die klar die Vorteile belegen, wenn Väter, Onkel, Großväter und männliche Bekannte Kindern vorlesen. Väter sind oft eine sprudelnde Quelle, wenn es darum geht, Kindern vorzulesen. Sie bringen eine ganze Reihe von Erfahrungen ein, reichern den Stoff mit unterschiedlichen, lustigen Stimmen an und malen Geschichten bildlich aus.

Bringt Freude am Lesen zurück

Wie jeder eifrige Leser weiß, gibt es wenige Dinge im Leben, die schöner sind, als sich mit einem guten Buch irgendwohin zu verziehen und es auf einen Ritt auszulesen. Diese Erfahrung mit dem eigenen Kind zu teilen, ist ein wertvoller Schritt auf seinem Weg, Bücher lieben zu lernen. Bringen sie gelegentlich ein neues Buch aus der Buchhandlung oder der Bücherei mit und machen Sie Ihr Kind damit bekannt. Sprechen Sie mit ihm über die Bilder, suchen Sie interessante Wörter und versuchen Sie gemeinsam eine Vorstellung zu entwickeln, bevor Sie das Buch vorlesen. Beim Lesen versuchen Sie, jeder Figur eine eigene Stimme zu geben. Inspiration, was Ihr Kind in seinem Alter interessieren könnte, findet sich leicht in verschiedenen Bewertungsportalen, wie familienorientierung.at, oder in solchen, wo Kinder für Kinder Bewertungen vornehmen.

Vorheriger ArtikelDie Gender-Ideologie (4) – Tatsachen und Bemerkungen
Nächster ArtikelTranssexualität: die endlose Suche nach dem „wahren Ich“
Ryan Spencer
Als Clinical Teaching Specialist in Literacy Education an der University of Canberra bringt Ryan eine einzigartige Perspektive und Einsicht in die Herausforderungen der Lehrerausbildung mit. Zurzeit leitet er zwei Lehrveranstaltungen für angehende Lehrer im ersten Studienjahr, die sich auf effektiven Leseunterricht konzentrieren. Vor seiner Berufung an die Universität von Canberra war Ryan Programmkoordinator und Berater für das U-CAN Read Literacy Intervention Program. Das U-CAN Read Programm ist ein gemeinsames Projekt der Universität Canberra und des ACT Education and Training Directorate und soll Eltern und Betreuern die Fähigkeiten, Strategien und Unterstützung vermitteln, die sie benötigen, um ihren Kindern beim Lesen zu helfen. Ryan hat elf Jahre Erfahrung im Unterrichten aller Grundschulstufen im öffentlichen Bildungssystem von New South Wales und dem Australian Capital Territory. Im Jahr 2012 schloss er seinen Master of Educational Leadership ab. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Elternbildung, die Förderung der Lesekompetenz von Jungen zur Verbesserung ihrer Bildungsergebnisse und die Auswirkungen neuer Technologien auf den Leseunterricht. Ryan hat auf einer Reihe von Bildungskonferenzen zum Thema Leseunterricht referiert, zuletzt in Osaka, Japan. Ryan ist Direktor des Bundesstaates ACT der Australian Literacy Educator's Association (ALEA). Ryan ist außerdem Mitglied der International Reading Association und der Primary English Teacher's Association.