Die Vorstellung des ordentlichen, deutschen Verwaltungsbürgertums über Corona-konforme Kinderprivathaltung entspricht offenbar dem Schema, dass Eltern nicht etwa Erziehungsberechtigte sind und die eigenen vier Wände auch kein privater Raum, sondern dass auch hier der verlängerte Arm des Staates das Sagen hat, wenn der Staat anordnet, wie der brave Bürger unter Coronaverdacht sich zu verhalten habe.

Konkret haben sich mehrere Gesundheitsämter in Baden-Württemberg, in Mecklenburg-Vorpommern und auch in Hessen offenbar genötigt gefühlt, in einem Rundschreiben Eltern von Kinder zwischen 3 und 11 Jahren nicht nur Vorschriften zu machen, wie sie mit einem Kinder unter Coronaverdacht (!) zu Hause zu verfahren hätten, sondern diese Anordnung auch gleich mit der Drohung garniert, dass Kind im Zweifel bei Missachtung der Vorschriften aus der Familie zu nehmen und in Isolationshaft, pardon, Einzelunterbringung in ein Kinderheim zu verschaffen, sollten Eltern anderer Meinung sein, wie mit einem kranken Kleinkind in Quarantäne umgegangen werden soll.

Zu Hause wohlgemerkt. Nicht in der Schule, auf der Strasse oder in der Kita, sondern dort, wo es schläft, isst und wohnt und normalerweise jene Rechte gelten über die Privatheit der Wohnung, die irgendwo in der Verfassung noch notiert ist, aber im Gesundheitsamt gerade nicht zur Hand waren. Wer soll sich auch darum noch kümmern, wir haben schließlich Pandemie!

Es lohnt sich ja immer, Verwaltungsanordnungen, die auf Papier oft so sachlich und nüchtern sein können, einmal bildlich und praktisch in den Alltag zu übersetzen, denn wir reden ja hier nicht von Zimmerpflanzen, die man zwei Wochen alleine auf die Fensterbank stellen soll, sondern über Kinder, die in ihren Zimmern oder im Heim eingesperrt werden sollen. Also soetwas wie amtlich angeordneter Zimmerarrest für zwei Wochen. Nomalerweise würde das Jugendamt bei elterlicher Anordnung solcher Maßnahmen eventuell einschreiten, hier will es das Gesundheitsamt sogar explizit anordnen. Die Anklage lautet: Unverschuldete Krankheit. 

Konkret gestaltet sich die Vorstellung der Gesundheitsämter so: Der kleine Max mit seinen sagen wir mal 4 Jahren und Krankheitssymptomen soll wenn möglich zwei Wochen in Quarantäne und demnach 24 Stunden am Tag alleine in seinem Kinderzimmer sitzen. Der Kontakt zu Mama, Papa oder Geschwistern soll unterbunden werden. Man darf immerhin Essen reinbringen. Wenn man den Kontakt „nicht vermeiden kann“ zum Kind, sollen alle Familienmitglieder Masken tragen. Was bei der ein oder anderen Demo, je nach Thema im öffentlichen Raum also nicht geahndet wird, soll jetzt im Kinderzimmer sanktioniert werden. Wohlgemerkt zu Hause, in den eigenen vier Wänden, im Kreise der Familie. 

Sollten diese Maßnahmen nicht eingehalten werden, droht man, Klein-Max aus der Familie zu nehmen und allein in einem Kinderheim coronakonform unterzubringen. Würde man das mit einem Haustier machen, wären die Tierschützer bereits auf den Straßen. 

Klein-Max wird vermutlich weinen, einsam sein und nach seinen Eltern rufen, gegen die Tür hämmern, versuchen aus der Wohnung zu entwischen, damit er das nicht macht, muss man ihn im Zimmer einschließen. Vielleicht schreit er auch die halbe Nacht, aber das muss dann so sein, denn schließlich droht das Amt ja mit Kindesentzug und die Eltern wollen nicht riskieren, dass ihnen Klein-Max weggenommen wird, also machen sie mit und lassen ihn weinen.

Die kleine Schwester Lara weint nebenan, sie ist auch unter Coronaverdacht aber kann leider noch nicht sprechen, sonst hätte sie sicher etwas zu sagen, stattdessen brüllt sie. Max ist schon größer, er bekommt wenn er aufhört aber zur Belohnung Cola reingestellt und einen Fernseher. Nach zwei Wochen gelten Klein-Max und seine Schwester Lara als körperlich gesund, haben aber einen psychischen Knax weg für den Rest ihres Lebens. Sie wissen jetzt, dass ihre Eltern sie im Zweifel im Stich lassen, wenn das Amt droht und dass nicht einmal auf die eigene Familie Verlass ist, wenn es ihnen schlecht geht. Gerade dann nicht.

Welches – Verzeihung – kranke Hirn in einem Gesundheitsamt denkt sich eigentlich solche Maßnahmen und Drohungen gegen Kinder und Familien aus, die völlig unverhältnismäßig sind?

Wie etwa auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Katrin Henning-Plahr zurecht bemängelte, stehen diese Schreiben der Gesundheitsämter und auch die angedrohten Maßnahmen völlig außerhalb des diskutablen Bereiches und sind unverhältnismäßig.

Sie forderte Gesundheitsminister Jens Spahn und sein Ministerium als oberste Corona-Maßnahmen-Hüterin auf, ein Machtwort gegen die Gesundheitsämter zu sprechen. Auch der Kinderschutzbund sieht das Kindeswohl gefährdet. Es dient nämlich nicht dem Kindeswohl, ein krankes Kind seiner Familie zu entfremden, nur weil es krank ist, sondern es gefährdet das Kindeswohl. Das Bundesgesundheitsministerium sieht sich nicht zuständig, man verweist auf die Zuständigkeit im kommunalen Bereich. Danke auch.

Die Angelegenheit drängt allerdings auch die Frage auf, wer wollte die Einhaltung von Corona-Maßnahmen innerhalb der privaten vier Wände einer Familie von Amtswegen kontrollieren und sich dafür Zugang zur Wohnung verschaffen? Kommt das Gesundheitsamt dann mit der Polizei oder war es nur eine leere Drohung? Auf Basis welcher Gesetzgebung würde ein derartiger Kindesentzug oder gar das eventuell nötige Aufbrechen einer Haustüre geschehen? In Deutschland darf die Polizei nur dann eine Wohnung betreten, wenn sie einen richterlich genehmigten Durchsuchungsbeschluss besitzt oder Gefahr im Verzug ist. Worunter fällt es also, wenn Eltern die Türe nicht öffnen, wenn das Gesundheitsamt gerade auf Patrouille ist?

Diese Schreiben werfen mehr Fragen als Antworten auf und beschreiben allerhöchstens die Hybris eines Verwaltungsunmenschentums, das seine Bürger längst nicht mehr als Auftraggeber, sondern als Befehlsempfänger betrachtet. Es könnte aber auch sein, dass eine politische Atmosphäre, in der Eltern bereits seit Jahren nicht etwa als Förderer und Beschützer, sondern als Gefahrenpotenzial, Bildungsverweigerer und Erziehungsunfähige tituliert werden, in der Verwaltung nur gerade entsprechend seine Umsetzung findet.

Es wirft auch die Frage auf, was genau macht die Familienministerin derzeit hauptberuflich? Wäre sie nicht die Instanz, die hier sofort einschreiten müsste, weil manche Behörden mit zweifelhafter rechtlicher Basis gerade Tausende von Familien einschüchtern und mit Sanktionen bedrohen?

Wer also nach Antworten sucht, warum es massive Bedenken gibt gegen die Einführung von Kinderrechten in die Verfassung, findet in diesem Beispiel eine sehr deutliche und düstere Beschreibung, wie Zustände aussehen können, in denen der Staat so ein Instrument bereits in seinem Besitzt hätte. Mit Kinderrechten in der Verfassung und dem Staat als Verwalter des Kindeswohls, hätten die Gesundheitsämter jetzt bereits das passende Instrument in der Hand um juristisch zu argumentieren, dass sie sich ja um das Kindeswohl kümmern und die Eltern die Kooperation verweigern oder gar dem Wohl des Kindes schaden, weil sie die Vorschriften aus dem Gesundheitsamt missachten. Mit Kinderrechten in der Verfassung wäre die Privatheit der Wohnung und das Erziehungsrecht der Eltern nicht mehr sicher.

Hiermit also meine persönliche Mitteilung, präventiv an das örtliche Gesundheitsamt, für den Fall, dass noch weitere Initiativen und Schriftstücke dieser Art in Arbeit sind: Wenn mein Kind krank ist, dann nehme ich es in den Arm, je kleiner es ist, desto häufiger. Ich habe unzählige Nächte meines Lebens mit auf mir schlafenden kranken Kindern verbracht, ich gedenke das fortzusetzen, wenn es nötig ist. Wenn mein Kind krank ist, braucht es Nähe zu seinen Eltern, weil es dann besonders auf körperliche Nähe angewiesen und in der Regel extrem anhänglich ist. Menschen, die Kinder großziehen wissen das. Und sollte jemand versuchen, mir als Mutter mein krankes Kind zu entreißen, um es in eine Isolation außer Haus zu bringen, dann garantiere ich für nichts. #Muttertier

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Birgit Kelle
Birgit Kelle arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie wurde 1975 in Siebenbürgen, Rumänien, geboren und siedelte als Neunjährige mit ihrer Familie noch aus dem real existierenden Kommunismus nach Deutschland um. In verschiedenen Landtagen und vor dem Familienausschuss des Deutschen Bundestages trat sie als Sachverständige für die Interessen von Müttern und Familie, sowie als Expertin im Themenkomplex Gender auf. Als regelmäßiger Gast in diversen Talksendungen im Deutschen Fernsehen zu den Themenfeldern Familien-, Frauen-, Genderpolitik und Feminismus-Kritik wurde sie einem breiten Publikum bekannt. Im August 2013 erschien ihr erstes Buch zu Frauen- und Familienpolitik in Deutschland – „Dann mach doch die Bluse zu“ – im März 2015 ihr zweites Buch „Gendergaga“ – eine satirische Kritik an der aktuellen Gender-Mainstreaming-Politik, 2017 folgte ihr aktuelles Buch „MUTTERTIER. Eine Ansage“ im Fontis Verlag, Basel. Kelle schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemedien in Deutschland und Österreich und als regelmäßige Kolumnistin für das Magazin FOCUS und die Tageszeitung DIE WELT. Neben ihren eigenen Büchern schreibt sie auch als Ghostwriterin für andere sympathische Menschen. Die Buchtitel können wir Ihnen leider nicht mitteilen, weil sich diese Seite sonst innerhalb von Sekunden selbst zerstört – zusätzlich zu dem diskreten Vertrauensverhältnis zu diesen Kunden. Kelle ist Vorsitzende der völlig genderunsensiblen Initiative Frau-Familie-Freiheit/Frau 2000plus e.V., begeisterte Mutter von vier Kindern, langjährig leidendes CDU-Mitglied und weibliche Feministin. Dazwischen neigt sie chronisch dazu, ihre Gedanken frei auszusprechen und sehr zum Leidwesen gendersensibler Bevölkerungsgruppen auch dazu, diese aufzuschreiben.