„Sind sie etwa gegen die Gleichberechtigung der Frau? Wollen Sie die Frauen an den Herd zurückschicken oder gleich ganz ins Mittelalter?“ – das sind nur zwei der häufigsten Reaktionen, wenn jemand wagt, die neue Staatsreligion Gender zu kritisieren. 

Die Gender-Welle

Denn merke: Wer Gender kritisiert, muss doch irgendwie frauenfeindlich sein. Antifeministin, Verräterin an der Emanzipation der Frau, sie tritt die Errungenschaften der feministischen Bewegung mit den Füßen! Mindestens scheint es reaktionär, wenn nicht gar fundamentalistisch, sich nicht spontan an der Gender-Welle zu erfreuen, die durch ganz Europa schwappt.

Eines der hartnäckigsten Gerüchte rund um Gender Mainstreaming besteht nach wie vor darin, dass es sich doch um nichts anderes handele, als um den englischen Begriff für Gleichstellungspolitik. Und da kann doch niemand ernsthaft dagegen sein – siehe Mittelalter.

Fördergelder fließen

Selbst in der Politik trifft man nicht selten auf engagierte Damen, die mit ein paar Emanzipations-Vorzeigeprojekten gute Frauenarbeit leisten, diese aber neuerdings nicht mehr Frauen- sondern Gender-Projekte nennen. Wundert ja auch nicht: Schreibt man Gender drauf, gibt es derzeit für jeden noch so großen Blödsinn Fördergelder.

Gender = Frau?

Gender-Diskriminierung lauert schließlich überall und muss selbstredend beseitigt werden. Das Problem ist nur: War noch bis vor gar nicht so langer Zeit immer Frau drin, wenn man Gender sagte, hat sich der Wind seit einiger Zeit gedreht. Frau ist jetzt nicht mehr die einzige Opfergruppe. Man könnte fast sagen, sie geht in einem Meer von neuen Opfergruppen soeben unter. Tragisch ist nur, dass selbst die gutmeinenden Politikerinnen mit ihren Gender-Projekten dies selbst noch nicht gemerkt haben.

Was wird im Namen von Gender tatsächlich getan?

Der Gegenbeweis könnte jedoch so einfach sein, würde man sich nur einmal anschauen, was im Namen von Gender Mainstreaming tatsächlich getan wird. Wenn man also nicht auf die wohlformulierten Texte zurückgreift, die überall zum Thema nachzulesen sind, sondern auflistet, was unter dem Stichwort Gender tatsächlich gefordert oder gar umgesetzt wird.

Geschlechtervielfalt

Zwar hat die feministische Bewegung Gender Mainstreaming selbst erst ins Rollen gebracht – jetzt wird sie allerdings von einer zweiten Gender Welle überrollt und arbeitet zu aller Tragik an ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit auch noch fleißig mit. Nun bin ich nicht gerade als Freundin der Damen Feministinnen bekannt, trotzdem kommt keine Schadenfreude über die Marginalisierung feministischer Forderungen bei mir auf, denn die Alternative ist leider noch viel schlimmer. Mussten wir uns bislang mit den übermütigen Forderungen eines Geschlechtes herumschlagen, ist heute die Vielfalt der Geschlechter daraus geworden. Mehr Geschlechter, mehr Forderungen, mehr Lehrstühle, größere Opfergruppen – noch mehr Geldvernichtung.

Es ist erstaunlich mit wie wenig Gegenwehr sich die engagierten Damen das Konzept aus der Hand haben nehmen lassen. Über Jahrzehnte war die Frau im Mittelpunkt des Geschehens. Über „Das andere Geschlecht“ schrieb die gute Simone de Beauvoir ihr Buch, im französischen Originaltitel noch präziser: „Le Deuxième Sexe“ – Das zweite Geschlecht. Aber eben zwei. Nur zwei.

Da war viel Platz für den Opferstatus der Frau, heute muss man sich den Platz teilen mit einer Vielfalt neuer Diskriminierungsgruppen, die wie Pilze aus dem Boden sprießen und sich ständig vergrößern, je nachdem, welchen Gender-Experten man fragt. Darf es 60 Geschlechter sein, wie bei Facebook oder gleich 4.000, wie uns so manche Lobbygruppe weiß machen will?

Sex ist das neue Geschlecht. Und da das sexuelle Begehren in zahlreiche und auch ungeahnte Richtungen ausschlagen kann, liegt entsprechend noch ein ganzer Haufen Arbeit vor uns, bis wir uns ganz gendersensibel all diesen neuen „Geschlechtern“ angemessen genähert und ihre Existenz restlos akzeptiert haben.

Gender*Star

Nach den frühen Forderungen musste nur die Frau in der Sprache sichtbar gemacht werden. Man quälte uns erst mit der Doppelnennung der Bürgerinnen und Bürger und erzwang dann das Binnen-I der BürgerInnen. Heute outet man sich mit einer Schreibweise, die nur die Frau sichtbar macht neuerdings als bedauernswertes Opfer einer Zwangsheteronormativität und als Diskriminierungs-Täter durch ausgrenzendes Handeln, weil man mit der sprachlichen Sichtbarmachung von nur einem weiteren Geschlecht all die anderen Geschlechter böswillig nach wie vor unterschlägt. Vielfalt auch in der Sprache, jetzt muss mit dem Gender_Gap oder dem Gender*Star nachgeholfen werden, um auch dem transsexuellen Bäcker, der bisexuellen Frau oder dem cis-orientierten Schwulen zu sprachlicher Sichtbarkeit zu verhelfen.

Statt Zebrastreifen – Regenbogenstreifen

Während in Berlin die Ampelweibchen diskutiert werden, kommen in Wien und München längst die schwulen und lesbischen Ampelpärchen zu Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Mit stark überhöhtem Conchita-Wurst-Fieber hatte sich eine grüne Politikerin in Wien gar zu dem Vorschlag hinreißen lassen, Zebrastreifen nicht mehr in schwarz-weiß – was sicher in seiner Zweifarbigkeit ein deutlicher Diskriminierungsakt und Ausdruck von Heteronormativität bedeutet – zu bunten Regenbogenstreifen umzustreichen, um die Vielfalt der Geschlechter auch auf den Straßen Wiens sichtbar zu machen.

Während getrennte Toiletten für Männer und Frauen einst als Errungenschaft gefeiert wurden, ist man jetzt dabei, Unisextoiletten für alle Geschlechter gemeinsam zu fordern, wie etwa bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, oder für das dritte, vierte und Viertausendste Geschlecht eine weitere Türe zu schaffen wie bereits in Berlin geschehen.

Geschlechtervielfalt jetzt auch für Klotüren, denn zwei Türen reichen nicht mehr aus. Doch selbst mit der ausgefallensten sexuellen Orientierung ist das Ende der Opfer-Fahnenstange immer noch nicht erreicht, denn es gibt noch mehr Opfergruppen, die sich auf dem Gender-Spielplatz tummeln und dank intersektionaler Gender-Forschung Daseinsberechtigung, also Geld und Projekte fordern.

Run auf die Diskriminierungsprofile

Denn man kann es ja auf vielfältige Weise schwer haben im Leben, nicht nur auf Grund seiner sexuellen Orientierung. Diskriminierung droht auch auf Grund von Migrationshintergrund, auf Grund von dunkler Hautfarbe, auf Grund von Behinderung oder auch auf Grund von Alter. Gewonnen hat im Gender-Bingo also derjenige, der die meisten Diskriminierungsprofile auf sich vereinen kann und somit Sieger wird auf der Opferskala.

Wäre ich zum Beispiel anstatt einer normalen Heterofrau eine alte, bisexuelle Rollstuhlfahrerin mit dunkler Haut und Migrationshintergrund, würde ich es mindestens bis in den Recall schaffen beim Wettbewerb um das am meisten diskriminierte Gender-Opfer.

Auch juristisch können wir uns übrigens noch auf einiges gefasst machen, wenn sich die ersten Männer auf Posten einklagen, die mit Frauenquoten eigentlich für Frauen gedacht sind. Denn hier erledigt sich die Gender-Theorie mal praktisch selbst. Wenn Geschlecht fließend und austauschbar sowie selbst definier- und wählbar ist, wer möchte da den schwarzen Diskriminierungs-Peter nehmen und der Transfrau erklären, dass sie zwar Frauenkleider tragen und sich auch Olivia nennen kann, der Posten aber nur für biologische cis-Weiblichkeit reserviert bleibt? Eben. Wer Vielfalt der Geschlechter fordert, der bekommt sie dann eben. Die Forderung nach Trans-Quoten wären dann der konsequente nächste Schritt.

Willkommen in der Flüchtlingsdebatte

Ganz schwierig wird es am Schluss an der feministischen Front, wenn man vor lauter demonstrierter Toleranz die eigenen Errungenschaften gefährdet, weil man anderen Opfergruppen, mit denen man ja gemeinsam im Kampf gegen die weiße Heteronormativität auf einer Seite steht, nicht auf die Füße treten will.

Und damit zum Abschluss willkommen in der aktuellen Flüchtlingsdebatte, bei der man sich manchmal fragt, ob ein paar hysterische Feministinnen aktuell nicht doch ganz brauchbar wären. Doch der Aufschrei der Damen bleibt aus, obwohl immer wieder dokumentiert wird – auch von linken Frauengruppen – dass es in den Flüchtlingsunterkünften zu sexuellen Übergriffen auf Frauen kommt.

Während der weiße europäische Heteromann in der Regel beim ersten falschen Wort gegenüber einer linken Feministin sofort öffentlich als Sexist gebrandmarkt wird, ist die gleiche linke Feministin bereit, verschämt wegzublicken und von kultureller Vielfalt zu murmeln, wenn muslimische Männer ihr mittelalterliches Frauenbild im Europa von heute ausleben, ihre Frauen verhüllen und ihre Töchter verheiraten.

Wie vor allem die muslimischen Väter auf den neuen Schulunterricht zur Akzeptanz sexueller Vielfalt für ihre Töchter und Söhne reagieren werden, steht noch aus, aber es kann durchaus noch spaßig werden, wenn Klein-Aishe das erste Mal zu Hause ihr Grundschulwissen über sexuelle Vielfalt zum Besten gibt. Hier sind Konflikte innerhalb der Opfer-Front vorprogrammiert.

Wie geht Politik für Frauen heute?

Frauen, Lesben, Transmänner, Schwule, Migranten, Behinderte, Alte und all die vielen unentdeckten Geschlechter die uns noch erwarten, haben nicht die gleichen Interessen. Sie stehen nur strategisch gemeinsam auf einer Opferseite, kämpfen aber nicht im Kollektiv und manchmal sogar gegeneinander.

Es sind teilweise völlig unterschiedliche Problemfelder, die gerade alle gemeinsam im Gender-Topf landen und sich gegenseitig den Platz abgraben. Schon vorher war es in der Gender-Ecke schwierig, denn das vielbeschworene Frauenkollektiv hat nie existiert. Allein schon unter Frauen ist man sich nicht einig, wie die richtige Politik für Frauen auszusehen hat. Kinderlose Karrierefrau und verheiratete Mütter sind in ihrem Denken oft Lichtjahre voneinander entfernt.

Jetzt teilt man sich die Aufmerksamkeit um die Budgets mit homosexuellen Pärchen, die gerne die Ehe für Alle einführen oder Kinder adoptieren wollen. Mit diversen sexuellen Identitäten, die sprachlich, auf Türen, Ampeln und in Schulbüchern sichtbar sein wollen, mit Migranten, die ganz andere Sorgen haben oder gar mit Menschen mit Behinderungen, die zwar gerne zur Erhöhung der Opferzahl mit genannt werden, für die aber in der Regel weder die Feministin noch das homosexuelle Paar mit auf die Straße zieht – sieht sich doch jede Lobbygruppe in Wirklichkeit nur ihren eigenen Interessen verpflichtet.

Auf dem Lesben-Friedhof in Berlin dürfen nicht einmal schwule Männer in ewigem Frieden ruhen, sie können ja einen eigenen Friedhof fordern. Dieser hier ist nur für lesbische Frauen. Errungenschaften werden nur ungern mit anderen Opfergruppen geteilt.

Die Mehrheit der Frauen verliert

Am meisten verliert die ganz normale Heterofrau in diesem Spiel. Also die Mehrheit der Frauen. Eine Bewegung die unter dem Gender-Vorzeichen losgelaufen ist, um die Masse der Frauen zu befreien, lässt die gleiche Masse konsequent im Regen stehen und kümmert sich nur noch um Partikularinteressen.

Die Mutter, die ihre Kinder noch selbst groß zieht. Die Frau in Teilzeit mit zwei Kindern, die kaum eine Rente bekommen wird. Die Alleinerziehende, die sich mehr schlecht als Recht durchs Leben schlägt und in der gleichen Altersarmut landen wird wie ihre verheiratete Geschlechtsgenossin mit vier Kindern.

Die große Mehrheit der Frauen hat rein gar nichts von all diesem Zirkus der doch angeblich zur Emanzipation der Frau durch Gender Mainstreaming veranstaltet wird. Aber hey, am Ende ihres Lebens können sie zumindest zwischen drei Türen wählen, wenn sie aufs Klo müssen.


Das folgende Video stammt von Harald Eia, einem sehr bekannten Norwegischen Komiker. Er hat sich mit dem Gleichstellungsbeauftragten-Paradox beschäftigt und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.

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Birgit Kelle
Birgit Kelle arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie wurde 1975 in Siebenbürgen, Rumänien, geboren und siedelte als Neunjährige mit ihrer Familie noch aus dem real existierenden Kommunismus nach Deutschland um. In verschiedenen Landtagen und vor dem Familienausschuss des Deutschen Bundestages trat sie als Sachverständige für die Interessen von Müttern und Familie, sowie als Expertin im Themenkomplex Gender auf. Als regelmäßiger Gast in diversen Talksendungen im Deutschen Fernsehen zu den Themenfeldern Familien-, Frauen-, Genderpolitik und Feminismus-Kritik wurde sie einem breiten Publikum bekannt. Im August 2013 erschien ihr erstes Buch zu Frauen- und Familienpolitik in Deutschland – „Dann mach doch die Bluse zu“ – im März 2015 ihr zweites Buch „Gendergaga“ – eine satirische Kritik an der aktuellen Gender-Mainstreaming-Politik, 2017 folgte ihr aktuelles Buch „MUTTERTIER. Eine Ansage“ im Fontis Verlag, Basel. Kelle schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemedien in Deutschland und Österreich und als regelmäßige Kolumnistin für das Magazin FOCUS und die Tageszeitung DIE WELT. Neben ihren eigenen Büchern schreibt sie auch als Ghostwriterin für andere sympathische Menschen. Die Buchtitel können wir Ihnen leider nicht mitteilen, weil sich diese Seite sonst innerhalb von Sekunden selbst zerstört – zusätzlich zu dem diskreten Vertrauensverhältnis zu diesen Kunden. Kelle ist Vorsitzende der völlig genderunsensiblen Initiative Frau-Familie-Freiheit/Frau 2000plus e.V., begeisterte Mutter von vier Kindern, langjährig leidendes CDU-Mitglied und weibliche Feministin. Dazwischen neigt sie chronisch dazu, ihre Gedanken frei auszusprechen und sehr zum Leidwesen gendersensibler Bevölkerungsgruppen auch dazu, diese aufzuschreiben.