Gundula Göbel
Verlag Briefgestöber, 115 S. 2013
Die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Gundula Göbel hat aus ihrer Praxis im Umgang mit Kindern eine sehr persönliche Handreichung vorgelegt, die sich nicht mit der Beschreibung von „Fällen“ und Erfahrungen begnügt, sondern deren Stärke gerade in den sehr konkreten Ratschlägen und Handlungsanweisungen liegt.
Geborgenheit schaffen
Das große Anliegen der Autorin besteht darin, auf die für alle späteren Entwicklungen der jungen Menschen entscheidende Erfahrung der Geborgenheit in der Kindheit hinzuweisen. Der in jedem noch so jungen Menschen angelegten Sehnsucht danach geliebt, umsorgt, beschützt und behütet zu werden, dem „Bonding“, kommen an erster Stelle die Eltern in vielfältigen Ausdrucksformen nach, die ausführlich erläutert werden. Zu den Bausteinen des Bondings gehören: Achtsame Berührungen, warmherzige Stimme, zärtlicher Blickkontakt, Lächeln etc.
Diese frühen positiven Erfahrungen des Kindes bestimmen ganz wesentlich die spätere Persönlichkeitsentwicklung. Wenn diese Geborgenheit fehlt oder nicht ausreichend vermittelt wird, ist dies für das spätere Leben nur noch schwer nachzuholen.
Wenn diese frühkindliche Phase für das Kind positiv verläuft, kann es in den folgenden Jahren aus dem gewonnenen Vertrauen Bindungen aufbauen, die für seinen Lebensweg entscheidend sind. Wie Eltern dazu beitragen können, dass diese Bindungssicherheit beim Kind entsteht, zeigt die Autorin an vielen praktischen Beispielen auf. Immer wieder erwähnt sie, wie wichtig die aufgewendete Zeit, die Ruhe und Gelassenheit der Bezugspersonen für das Kind sind. Ein besonderes Kapitel widmet sie daher auch der Vater-Kind-Bindung, die oft nicht genügend beachtet wird.
Lernprobleme sind oft Bindungsprobleme
Die Sicherheit des Kindes, sich in vertrauten Bindungen zu wissen, ist für seine spätere Bildungsfähigkeit, für sein Aufgeschlossenheit für Lernen, für das Interesse an anderen Menschen und der Umwelt von ausschlaggebender Bedeutung, wie die Psychotherapeutin anhand von Beispielen aus der eigenen Praxis belegt. Viele Lernprobleme von Schülern sind Bindungsprobleme, ein Mangel an aufgebautem Vertrauen in sich und ihre Welt. Bis hinein in die Pubertät verfolgt sie die Auswirkungen mangelnden Geborgenheits-Empfindens von Jugendlichen, was sie immer wieder zu dem Hinweis führt, in der frühen Kindheit die Grundlagen des Vertrauens und der Geborgenheit zu legen.
Eltern, aber auch Pädagogen, Kindergärtnerinnen und allen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, kann dieses graphisch leicht lesbar gestaltete Buch vielfältige und hilfreiche Anregungen geben. Man hätte sich aufgrund des derzeitigen Bestrebens, Kinder schon möglichst früh in Kitas zu geben, einige Hinweise gewünscht, wie der Mangel dieser intensiven, sich jedem einzelnen Kind widmenden Sorge, der in den Kitas schon alleine aus Zeitgründen nicht ausreichend entsprochen werden kann, kompensiert werden kann, und was es für eine künftige Generation bedeuten kann, wenn sie ohne die in diesem Buch beschriebene Widmung und Geborgenheit heranwächst.