Zum Schluss der Artikelserie beleuchtet die Autorin ideologische Gründe für die Koedukation. Der radikale Feminismus möchte den Mann aus den Schlüsselpositionen der Macht heraus drängen und bedient sich dabei der Feminisierung der Erziehung in der Schule und in allen Bereichen. Eine ausführliche Bibliographie am Ende des Artikels gibt Ihnen viele Anregungen zum Vertiefen der Materie.

Beiden Geschlechtern gerecht werden

Es bedarf keiner Statistik, um das Fragwürdige, ja Destruktive im modernen Bildungswesen zu erkennen. Gewiss, die Frau hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, ihren Mann zu stehen, ja, dass sie den gleichaltrigen Jungen den Rang abzulaufen vermag.

Das Ziel des militanten Feminismus ist – wie gesagt – nicht etwa „die Quotenfrau“ sondern „die Macht über den Mann“. Schon treten weitere Zukunftsvisionen auf den Plan: Falls man weltweit genug Samenbänke einrichtet und erst recht, nachdem das Klonen von Menschen möglich geworden sei, wäre der Mann selbst zur Fortpflanzung nicht mehr nötig. Visionen, ihn ganz auszurotten, tauchen auf.

Wenn nur Mädchen (am besten im Reagenzglas) zur Welt kommen dürfen, ließen sich diese von Säuglingsschwestern, Tagesmüttern, Erzieherinnen, Lehrerinnen, und gelegentlich vielleicht auch noch Müttern und Großmüttern gemeinsam erziehen – und der absolute Weltfriede wäre gesichert.

So glaubt man in kühner Verleugnung des aggressiven Potentials der Frau, besonders der älteren Frau. Aber kann die Frau die voranstürmenden Erfinder, die Türme und Städte bauenden Männer, die Meister der Technik, die Verteidiger des Lebens (nicht nur in Kriegen, sondern auch in Natur- und Familienkatastrophen), kann die Frau den Beschützer ihrer Kinder und – last but not least – den liebevollen Gefährten wirklich entbehren?

Den Jungen gerecht werden

Wer diese Frage verneint, muss sich gemeinsam mit jenen Frauen, die die Schöpfungsordnung weiterhin wahrheitsgemäß für ein verbindliches Postulat halten, auf den Weg machen, den Mann besonders aber die Jungen während ihrer Entfaltung besser zu verstehen und ihnen besser gerecht zu werden.

Und das heißt: keine Erwartungen an sie stellen, die sie nicht erfüllen können; denn sie sind anders als die Mädchen, anders als die Frauen. Die Fülle der neuen Forschungsergebnisse sollte für uns Frauen einen Appell enthalten, den Jungen besser gerecht zu werden mit ihren besonderen Begabungen und ihren spezifischen Lebensaufträgen – besonders durch angemessene Schulformen. Und die heißen: Begabungsgerechte, schöpferisch anleitende und ethisch kontrollierte Lebensgestaltung.

Jungen haben eben andere Entwicklungstempi als Mädchen! Ungleiche Organismen gleichmachen zu wollen erzeugt weder Gerechtigkeit noch bringt es optimale Leistungen hervor. Das Gegenteil ist der Fall: Je unangemessener, umso mehr Niveauverlust muss sich ergeben. Ich schrieb bereits 1971 in einem meiner ersten Taschenbücher: Wenn die Gleichheitsideologie erst unsere Schulen beherrschen wird, wird deutsche Elite mit den bewährten Gymnasien seufzerlos zugrunde gehen.

Es muss auch erkannt werden, dass hinter der zum Imponiergehabe neigenden Fassade des Mannes immer noch die Furcht vor der übermächtigen, sich seiner bemächtigenden Mutter steckt. Es sollten die Aggressionen des männlichen Kindes als Verteidigung gegen jene Erziehenden gesehen werden, bei denen es weniger Erfolg hatte als die Mädchen.

Gewiss wird Neuanfang eher geschehen können, wenn der Mann gegen allen Drang, die Welt zu erobern und allein zu beherrschen, sich die Mühe macht, sich selbst kennen zu lernen samt seinen zäh und kontinuierlich lebenslänglich verdrängten Schwächen, die ihn bisher genötigt haben, vorsorglich seiner besseren Hälfte nichts aber auch gar nichts davon zuzugeben.

Wenn der Mann seine so fest eingebahnte Neigung zur Verleugnung seiner Schwächen und erst recht seiner Untaten ins Bewusstsein nimmt, erst dann wird ihm der Zugang zu seinen Nächsten leichter fallen, so dass ihm zu dämmern beginnt, was die Frau mit ihrem Rütteln an seinem ihr nicht genügenden Verhalten überhaupt meint.

Aber dazu bedürfte es zunächst einer gründlichen Ernüchterung, einer bewussten Überwindung der zweiten Ideologie des vergangenen Jahrhunderts, an die die Deutschen abermals wie an einen Zauberberg gerieten. Diesmal hieß die Devise: Gerechtigkeit durch Sozialismus.

Wie wenig dieses Konzept trägt, beweist die Depression als Massenepidemie schon bei jungen Leuten, beweist der wirtschaftliche Niedergang des überstrapazierten Sozialstaates. Nein, es bedürfte anderer, grundlegender Schlussfolgerungen, die ihren Schwerpunkt in Bildungssystemen haben müssten auf dem Boden der neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse. Erst dann wird es auch hierzulande wieder Nobelpreisträger geben können, erst dann werden wir internationale Konkurrenz halten können, erst dann wird es bei mehr Menschen begabungsgerechte Entfaltung geben, so dass das alte Europa schließlich dennoch auf Zukunft hoffen kann.


Literaturverzeichnis

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Sullerot, Evelyne, Die Wirklichkeit der Frau,. München 1979
Zazzo, René, Einige Bemerkungen über die Unterschiede der Psychologie der Geschlechter, in: Evelyne Sullerot, Die Wirklichkeit der Frau, S.311 ff

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Christa Meves
Christa Meves, geb. 1925. Studium der Germanistik, Geographie und Philosophie an den Universitäten Breslau und Kiel, Staatsexamen in Hamburg, dort zusätzliches Studium der Psychologie. Fachausbildung im Psychotherapeutischen Institut in Hannover und Göttingen. Freipraktizierende Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Uelzen, Arztfrau und Mutter zweier Töchter, sechs Enkel. 1987 Konversion zum katholischen Glauben. Seit 1978 Mitherausgeberin der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur". Verliehene Auszeichnungen, u.a. 1977 Goldmedaille des Herder-Verlags; 1978 Niedersächsischer Verdienstorden; 1979 Konrad-Adenauer-Preis der Deutschlandstiftung; 1985 Bundesverdienstkreuz erster Klasse; 1996 Preis für Wissenschaftliche Publizistik; 2000 Ehrenmedaille des Bistums Hildesheim; 2001 Deutscher Schulbuchpreis. Bisher 108 Buchpublikationen, Übersetzungen in 13 Sprachen. Gesamtauflage in deutscher Sprache: fünf Millionen Exemplare.