Das Jahr 2025 ist ein „Heiliges Jahr“[1]; ein solches gibt es regulär alle fünfundzwanzig Jahre, und es soll den Gläubigen helfen, ihren Glauben zu vertiefen, sie zu Pilgerfahrten ermutigen und den Zusammenhalt in der Kirche fördern. Dass es in der Regel ein Vierteljahrhundert bis zum nächsten  dauert, ist Hintergrund der Redewendung „alle Jubeljahre einmal…“

Wurzeln im AT

Grund für diesen Rhythmus, der schon seit dem 15. Jahrhundert eingehalten wird, war der Wunsch der Päpste, jedem Gläubigen die Möglichkeit zu geben, wenigstens ein Mal im Leben ein solches besonderes Jahr der spirituellen Erneuerung mitmachen zu können. Die Tradition geht, ebenso wie der Ausdruck „Jubiläums-Jahr“, auf alttestamentliche Vorbilder zurück, bei denen es auch um die Stärkung des Glaubens und der Gemeinschaft, sowie um einen Schuldenerlass ging. Und auch Letzteres gehört in gewisser Weise, in einem spirituellen Sinne, noch immer zum „Jubeljahr“.

„Pilger der Hoffnung“

Als Papst Franziskus am Hochfest Christi Himmelfahrt 2024 das Heilige Jahr 2025 mit einer feierlichen Eröffnungs-Bulle[2] ankündigte, konnte er höchstens ahnen, wie zeitgemäß und wie drängend aktuell das von ihm gewählte Motto „Pilger der Hoffnung“ sein würde. In zunehmend krisenhaften und immer unübersichtlicheren Zeiten, in denen die Verunsicherung bis tief in die Kirche in unserem Land eindringt, ist ein Wort der Hoffnung mehr als willkommen. Man muss nur zuhören; und deshalb ist die Tradition einer Pilgerfahrt im Heiligen Jahr so aktuell wie nie, gibt sie uns doch die Möglichkeit, einmal aus dem Alltagstrott und dem Teufelskreis von Missmut, Zweifel, Sorgen und Unsicherheiten auszubrechen.

Die ultimative Wallfahrts-Saison

Eine gute Wallfahrt ist wie ein Befreiungsschlag; wir distanzieren uns räumlich und geistig von der Begrenztheit des Gewöhnlichen, verlassen die „Echokammern“ des Negativen, und indem wir uns auf den Weg zu einem spirituellen Ziel machen, überwinden wir Überdruss und Frustration. Wirkungslose, schale Alltagströstungen bleiben zurück, und wir besinnen uns wieder auf das Wesentliche. Und auch wenn wir uns im Stand der scheinbar vollkommenen Glückseligkeit auf den Weg machen, wird uns das Pilgern dennoch innerlich bereichern, und sei es durch den Ausdruck der Dankbarkeit und durch die Zuwendung zum weniger glücklichen  Anderen. Anders als bei einer Wanderung oder Urlaubsreise ist aber nicht der Weg das Ziel. Vielmehr spiegelt sich im Pilgern eine elementare Wahrheit, eine Grundgegebenheit unseres Lebens: dass wir auf dem Weg zu einem höheren Ziel sind.

Indulgentia

Was schon für jede normale Wallfahrt gilt, das gilt erst recht für eine im Rahmen des Heiligen Jahres. Idealerweise führt eine solche natürlich nach Rom, zu den großen Papstkirchen, wodurch auch die Verbundenheit mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, zum Ausdruck gebracht wird. Aber es gibt fast überall auf der Welt, in vielen Bistümern, ebenfalls die Möglichkeit zu einer solchen Wallfahrt. Man muss also nicht notwendigerweise in die Ferne schweifen, um aller Segnungen einer Pilgerfahrt im Heiligen Jahr teilhaftig zu werden.

Hält man sich an die traditionellen Vorgaben, dann gibt es die Möglichkeit, einen vollständigen Ablass zu erhalten. Das Wort erregt bei evangelischen Christen stets Stirnrunzeln und Abwehrreflexe; um dem zu begegnen könnten wir auch von einer „Indulgenz“ sprechen, was zwar dasselbe bezeichnet, aber in Deutschland mit weniger weltanschaulichen Konnotationen[3] verknüpft ist. Das lateinische Wort indulgentia bedeutet Nachsicht, Güte, Gnade, und damit bezeichnet es treffend worum es geht: den „Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon vergeben sind“[4] Die Folgen einer bösen Tat werden ja nicht ungeschehen gemacht, auch wenn die Schuld schon vergeben ist[5]. Dafür Verantwortung zu übernehmen und geistliche Wiedergutmachung zu akzeptieren, ist zweifellos ein schönes Zeichen von Frömmigkeit und hat gewiss nichts mit „Ablass-Handel“ zu tun.

Oikumene

Papst Franziskus versäumte auch nicht, in seiner Eröffnungsbulle die Hand zum ökumenischen Dialog auszustrecken, ganz besonders zu den Ostkirchen. Das geschieht zum einen durch ausdrückliche Einladung zur Pilgerfahrt nach Rom. Zum anderen kündigt der Papst eine ökumenische Feier an, die auf das Zeugnis der Märtyrer aus verschiedenen christlichen Traditionen Bezug nehmen soll. Das Jahr 2025 hat aber auch von sich aus schöne ökumenische Bezüge – feiern wir doch das Jubiläum des ersten großen ökumenischen Konzils von Nikäa, vor 1700 Jahren. Und gerade im Jahr 2025 fallen die verschiedenen Ostertermine einmal auf den selben Tag, so dass dieses Mal alle Christen ihr größtes Fest gleichzeitig feiern werden. Eine sinnreiche Erinnerung, was die Grundlage des christlichen Glaubens ist.

Outreach

Das Heilige Jahr ist aber nicht eine rein innerkirchliche Feiersaison. Die lesenswerte Eröffnungsbulle macht deutlich, wie sehr die Hoffnung, von der in ihrem Titel die Rede ist[6]allen Menschen zuteil werden soll. So soll das Heilige Jahr „Zeichen der Hoffnung“ setzen – Frieden stiften, Familien stärken, Amnestien und Schuldenerlasse (die „Klassiker“ von Jubiläumsjahren) anregen, Menschenrechte fördern, Kranken, Armen und allen Leidenden zugute kommen. Allein schon diese Aufzählung von Not und Leiden könnte traurig stimmen. Und genau gegen diese verbreitete Tristesse, die ermüdende Häufung von schlechten Nachrichten, wendet sich der Papst, auch er als „Pilger der Hoffnung“, in diesem Heiligen Jahr.

Noch ein großes, inzwischen globales Problem unserer Zeit greift Franziskus auf: den dramatischen Rückgang der Geburtenzahlen. Früher sagte man von einer Schwangeren, sie sei „guter Hoffnung“; eigentlich eine schöne Redewendung, in der die Vorfreude auf das Leben mit dem Kind schon mitschwingt. Mehr und mehr aber schwindet heute – auf allen Kontinenten und in beinahe allen Kulturen – der „Wunsch das Leben weiterzugeben“[7] Um so wichtiger ist es, in diesem Heiligen Jahr jungen Menschen wieder Mut zur Gründung von Familien zu machen und in der Gesellschaft den Wert des Lebens in Erinnerung zu rufen.

Grund der Hoffnung

Im Heiligen Jahr geht es aber nicht nur um Weltprobleme, große Themen und schöne Wallfahrten. Auch die persönliche Frömmigkeit der einzelnen Gläubigen soll belebt und gefördert werden. Genau genommen ist das sogar der eigentliche Sinn und Zweck: dass am Ende dieses besonderen Jahres die Menschen in ihrem Glauben gestärkt sind, ein reicheres Gebetsleben führen, die Sakramente häufiger empfangen und in ihrem alltäglichen Umfeld zur Neuevangelisierung beitragen können – nicht unbedingt durch besondere Aktivitäten, sondern einfach durch ihr gutes Beispiel. Denn ohne das Beispiel gelebten Glaubens könnte das Wort „Hoffnung“ leicht zum Gemeinplatz werden, banalisiert zur Phrase in Ansprachen und Sonntagsreden, wozu sich dann jeder selbst etwas denken kann. Hoffnung, die nicht Selbsttäuschung oder Betäubung ist, die also „nicht zugrunde gehen lässt“ (Röm. 5,5), kann nur auf Gott bauen: „Die christliche Hoffnung besteht genau darin: Im Angesicht des Todes, wo scheinbar alles endet, erhalten wir die Gewissheit, dass uns dank Christus … das Leben nicht genommen, sondern gewandelt wird…“[8]

Zu den schönsten und fruchtbarsten Texten über die christliche Hoffnung zählt die Enzyklika von Benedikt XVI. „Spe salvi“[9], die in wunderbarer Klarheit zeigt, was das heißt: „Auf Hoffnung hin gerettet“. Die Lektüre dieses Textes ist die beste Vorbereitung und spirituelle Begleitung in diesem Heiligen Jahr 2025.


[1]Eigentlich wurde es schon – jahrhundertealter Tradition folgend – am Heiligen Abend des kalendarischen Vorjahres 2024 von Papst Franziskus eröffnet, mit der symbolträchtigen Öffnung der „Heiligen Pforte“ am Petersdom. Offiziell endet es am 6. Januar 2026 mit der Schließung dieser Pforte.

[2]https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2024-05/heiliges-jahr-wortlaut-bulle-spes-non-confundit-papst-franziskus.html

[3]Die alten Geschichten um den Zeitgenossen Luthers, den Ablass-“Händler“ Tetzel werden noch oft irrtümlich als Beleg gegen den Ablass vorgebracht, wobei vergessen wird, dass dessen Handeln auch damals, im 16. Jh., der Lehre der Kirche widersprach und eigentlich unzulässig war.

[4]Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium. Bonn/München 2005. Nr. 312

[5]Vgl. dazu im Einzelnen Nr. 23 der Eröffnungsbulle.

[6]Spes non confundit: „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“, nach Röm. 5,5.

[7]Eröffnungsbulle, a.a.O. Nr. 9.

[8]Ebd. Nr. 20

[9]Benedikt XVI.: Auf Hoffnung hin gerettet. Die Enzyklika „Spe salvi“. Freiburg, Basel, Berlin, 2. Aufl. 2008. 
Vgl. a.: https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20071130_spe-salvi.html