Stark mitgenommen von den Einschränkungen, die in der momentanen Krise alle Bürger betreffen, sind vor allem Familien mit mehreren Kindern. Da oft beide Elternteile berufstätig sein müssen, um eine Familie mit mehreren Kindern zu ernähren, leiden sie besonders darunter, dass Kitas und Schulen geschlossen sind. 

Je nachdem in welchem Beruf sie arbeiten, sind sie mit ähnlicher Stundenzahl wie bisher, aber jetzt im home office, beschäftigt. Was zunächst wie eine Erleichterung erscheint, weil man den Weg zur Arbeit einspart, entpuppt sich sehr schnell als Quadratur des Kreises. Wie soll man konzentriert arbeiten und gleichzeitig auf ein oder mehrere Kinder aufpassen? Hinzukommt, dass oft Familien mit mehreren Kindern in recht beengten Wohnverhältnissen und meist ohne Garten leben; Wohnungen, die nicht dafür gemacht sind, den ganzen Tag eng aufeinander zu hocken. Erst recht nicht, wenn die Situation sich über Wochen erstreckt.

Welche Möglichkeiten haben Eltern mit mehreren Kindern in verschiedenen Altersstufen, um ohne Nervenzusammenbruch diese Krisenwochen zu überstehen? 

Zwei allgemeine hilfreiche Tipps, die sich in vielen Familien bewährt haben: Zum einen sollte man in altersentsprechender Weise Kindern die außerordentliche Situation erklären. Den etwas älteren, dass die Beachtung der Beschränkungen nötig ist, damit sich niemand von der Familie ansteckt und was eine Ansteckung bedeuten würde. Bei den Jüngeren kann es helfen, spielerisch mit Händewaschen, Mundschutz (selber herstellen) und ähnlichem die besondere Situation zu erklären. 

Als zweites ist in der jetzigen Situation ein aufgeschriebener, gemeinsam abgestimmter Tagesplan eine große Hilfe. Auf einer Tafel oder auf einem großen Papier können die feststehenden Zeiten aufgeschrieben werden: von den Essenszeiten, Zeiten des Arbeitens, Zeiten für gemeinsames Spielen, bis hin zur Zeit für einen kurzen Spaziergang etc. Auch die Aufgaben, die jetzt auf die einzelnen Familienmitglieder zukommen, können hier aufgelistet werden. Klare Festlegungen ersparen ermüdende Diskussionen. Ein Belohnungssystem kann einen Anreiz bieten, sich an den Plan zu halten und seine Aufgaben gut zu erfüllen. Auf diese Art und Weise bekommt der Tag eine gewisse Struktur. Da jede Familie – auch in der Personen- und Alterszusammensetzung – verschieden ist, werden nur einige Anregungen gegeben, die auf die einzelne Familie angepasst werden müssen.

Familien mit Kindern im Kita-Alter:

Für diese Familien stellt die momentane Situation eine große Herausforderung dar, denn die meisten Kinder im Vorschulalter brauchen die ständige Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Ihre Eigenbeschäftigung mit noch so schönen Spielsachen hält meist nur kurze Zeit an, vor allem wenn nur ein Kind in diesem Alter in der Familie ist. Wenige können sich alleine über einen längeren Zeitraum ruhig beschäftigen. Es kommt schnell Langeweile auf, dann wollen die Kinder etwas zeigen, etwas erklärt bekommen, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen. Daher kann eine realistische Lösung nur darin bestehen, dass jeweils für eine bestimmte Zeitdauer ein Erwachsener oder ein schon älteres Geschwisterkind die Aufsicht übernimmt, damit die anderen in dieser Zeit in Ruhe arbeiten können.

Kleinere Arbeiten im Haus oder Aufgaben, wie ein Bild malen, etwas basteln oder aufbauen, werden fast immer nur für eine kurze Zeit die Aufmerksamkeit der Kinder in diesem Alter fesseln.

Wo eine abwechselnde Beaufsichtigung mangels geeigneter Personen nicht möglich ist, sollte nur im Notfall und nur für kurze Zeit dem Fernseher oder dem Internet diese Aufgabe übertragen werden. Am ehesten sollte ein den Eltern bekanntes und dem Alter angemessenes Video eingelegt werden. Wenn dem Kind anschließend die Gelegenheit gegeben wird zu erzählen, was es gesehen hat, ist damit auch noch ein Lerneffekt verbunden.

Am späteren Nachmittag oder Abend sollte möglichst eine Familienzeit für alle auf dem Programm stehen: ein gemeinsames Spiel, ein altersgemäßer Film, eine spannende Geschichte, die frei und in mehreren Fortsetzungen erzählt immer die beste Wirkung erzielt. Hier können sogar die ansonsten auf Distanz gehaltenen Großeltern mithelfen, indem sie virtuell zum Geschichten Erzählen oder zu einem Spiel zugeschaltet werden.

Familien mit Kindern im Grundschulalter:

In dieser Altersgruppe gibt es schon verständigere Kinder, die z.T. schon lesen und schreiben können, was die Palette der Beschäftigungsmöglichkeiten erweitert. Damit die Eltern die Möglichkeit haben, ihren Arbeiten im Hause nachzugehen, müssen sie zunächst den Kindern auch für sie geeignete Aufgaben stellen. Sofern die Schule über das Internet für einzelne Fächer Anleitungen gibt, ist dies eine große Hilfe, damit die Kinder eine gewisse Zeit damit beschäftigt sind. Ein Erwachsener muss sich dann die Zeit nehmen, möglichst bald die geleistete Arbeit zu begutachten, sonst verlieren die Kinder schnell die Motivation. Wo solche Schulaufgaben nicht gestellt werden, sollten sich die Eltern ganz konkrete Aufgaben für die Kinder überlegen, die nach deren Abschluss ebenso beurteilt werden müssen.

Sehr entlastend für die Eltern ist es, wenn sie einen Garten haben und die Kinder sogar einen Freund oder eine Freundin einladen können, um draußen gemeinsam zu spielen. Wo das nicht möglich ist, sollte möglichst ein gemeinsamer Spaziergang im Tagesplan einen festen Platz haben, da frische Luft und Bewegung jetzt besonders wichtig sind.

Diese Wochen der intensiver miteinander verbrachten Zeit hilft auch, die Kinder in ihren Stärken und Schwächen noch besser kennen und verstehen zu lernen. Das kann zu Entdeckungen führen, die man bisher nicht wahrgenommen hat: wofür sich das einzelne Kind besonders interessiert, was es gerne hat, wofür es am leichtesten zu motivieren ist. Mit geschickt bereitgestelltem Lesestoff,  mit Bastelmaterialien, auch mit Informationen aus dem Internet zu einem bestimmten Thema kann sich bei dem einzelnen ein Hobby entwickeln. Das geschieht am ehesten dann, wenn jemand merkt, dass er in einem Gebiet mehr weiß als andere. Dann ist das Interesse geweckt und die Motivation da, sich intensiver und selbstständig mit einem Stoff zu beschäftigen.

Familien mit älteren Kindern:

Kinder, die kurz vor oder in der Pubertät stehen, haben zwar ihrem Alter entsprechend mehr Möglichkeiten, sich selbstständig zu beschäftigen, haben dafür aber mit sich selbst meist mehr zu kämpfen. Ihr ausgeprägter Freiheitsdrang in diesem Lebensalter lässt sie oft gegen jeden Plan und jede Festlegung rebellieren, weil sie sich leicht eingeengt und bevormundet fühlen. Eine Motivationshilfe kann es für sie sein, wenn abwechselnd jeder einmal den Plan und die Aktivitäten selbst bestimmen kann und wenn es noch genügend Freiräume gibt. 

Familien mit Kindern in dieser Altersgruppe stehen erst recht bei beengten räumlichen Verhältnissen vor sehr großen Herausforderungen. Persönliche Ansprüche und Wünsche stoßen oft mit denen der anderen Familienmitgliedern zusammen, was sich aber nicht ändern lässt. Damit es zu möglichst wenigen Konflikten führt, müssen außer dem gemeinsam festgelegten Tagesplan klare Aufgabenverteilungen und Regeln erarbeitet und bei Verstößen sanktioniert werden. Da in den meisten Familien nur ein Fernseher, ein Computer, eine Stereoanlage oder ein Fitnessgerät vorhanden sind, braucht es Regeln wer wann was benutzen kann. Darüber hinaus muss abgesprochen werden, wann und wo möglichst Telefonate geführt werden, damit nicht die ganze Familie mithören muss. 

Zusammenfassung

Für jede Familie sind diese Wochen eine ungeplante Schule, in der der Familienzusammenhalt wachsen kann: durch die Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen, im Zurückstecken eigener Wünsche, im Verständnis für die Schwächen der anderen, in der Hilfsbereitschaft bei den häuslichen Arbeiten, im Verzicht auf eigene Pläne. Eine Familie, die diese Bewährungsprobe im großen und ganzen gut besteht, wird aus diesen besonderen Wochen gestärkt und gefestigt hervorgehen.

Lesen Sie dazu auch unseren Artikel über Mediennutzung.