Weil niemand weiß, wie lange und wie intensiv uns Corona noch beeinträchtigen wird, was natürlich für Schulen, Universitäten und alle Bildungseinrichtungen von großer Bedeutung ist, spielt die Vorbereitung auf virtuellen Unterricht eine entscheidende Rolle. In welchem Maße sind vor allem die Schulen in Deutschland darauf vorbereitet?

Förderung des digitalen Unterrichts

Vor kurzem hat unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Treffen mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, dem Chef des Bundeskanzleramts Prof. Helge Braun und der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken mit den Kultusministern und -ministerinnen der Bundesländer stattgefunden, bei dem über Maßnahmen zur Stärkung des Schulsystems in der Coronapandemie beraten wurde.

Dabei wurden als besonders dringende Sofortmaßnahmen beschlossen:

  • ein zügiger weiterer Ausbau der Glasfaser-Internetanbindung für alle Schulen;
  • die Ausstattung aller Lehrkräfte und – bei Bedarf – von Kindern mit geeigneten Endgeräten, beides aus Mitteln des vom Bund um zweimal 500 Mio. Euro erweiterten Digitalpakts Schule;
  • Beteiligung des Bundes an Ausbildung und Finanzierung technischer Administratoren der digitalen Infrastruktur der Schulen in Höhe von 500 Mio. Euro;
  • Bildung von Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten, die Schulen vor Ort bei Medienkonzepten und digitalen Schulentwicklungsplänen beraten; 
  • schrittweise Entwicklung einer Bildungsplattform durch den Bund, u.a. zur Vernetzung zwischen den bestehenden Systemen der Länder, mit dem Ziel der Bereitstellung von Bildungsinhalten in allen Bildungsbereichen;
  • qualitativ hochwertige digitale Bildungsmedien, insbesondere Open Educational Resources, und die Entwicklung intelligenter tutorieller Systeme.

Muss mehr in Bildung investiert werden?

Auch wenn mit diesem Maßnahmenkatalog weit mehr als eine Milliarde zusätzlich in Bildung investiert wird,  ist es fraglich, ob angesichts der großen Herausforderungen durch Corona die getroffenen Maßnahmen ausreichen. Kritik wird vor allem laut wegen der nicht vorhanden personellen Ressourcen, aber auch wegen der komplizierten Antragstellung. 

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte, dass Eltern und Schüler „weder  digitale Endgeräte, noch Fortbildungen, noch Zeit, um Anträge zu schreiben oder sich in das komplizierte Antragsverfahren für die Gelder des Digitalpakts einzulesen, haben.“

Die neueste Pisa-Studie hat gezeigt, dass Deutschland beim Thema „Digitale Bildung„ im internationalen Vergleich sehr schlecht abschneidet und auf der Höhe eines Entwicklungslandes rangiert. Bei der Verfügbarkeit von effektiven Online-Lernplattformen erreichte Deutschland von allen 78 teilnehmenden Ländern der Studie nur Platz 66. In Singapur, in weiten Bereichen Chinas aber auch in Dänemark verfügen mehr als 90 Prozent der Schulen über moderne Online-Lernplattformen,  in Deutschland  gerade einmal ein Drittel. 

Noch schlechter sieht es bei der digitalen Ausbildung der Lehrer aus, wo Deutschland auf Platz 76 von 78 Plätzen landete. Dahinter rangierten nur noch Ungarn und Japan.

Die Pandemie zeigt die Bildungs-Versäumnisse auf

Die Studie Effective Policies, Successful Schools basiert auf den Ergebnissen der jüngsten PISA-Erhebung 2018, an der etwa 600 000 15-jährige Schülerinnen und Schüler aus 79 Ländern und Volkswirtschaften teilgenommen haben. 

Im OECD-Schnitt hatte 2018 nahezu jeder 15-Jährige in der Schule Zugang zu einem Computer für den Unterricht. Allerdings bemängelten die Schulleitungen vieler Länder, dass die Rechenleistung der Computer nicht ausreiche. Davon war insgesamt ein Drittel der Schülerinnen und Schüler betroffen.

„Die Krise hat die vielen Unzulänglichkeiten und Ungleichheiten in den Bildungssystemen in aller Welt zum Vorschein gebracht“, so OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. An generellen Ergebnisse lässt sich aus der Studie ablesen:

  • Im Durchschnitt der OECD-Länder war 2018 etwa die Hälfte der 15-Jährigen in Schulen eingeschrieben, deren Schulleiter berichteten, dass eine effektive Online-Lernunterstützungsplattform zur Verfügung steht. 
  • Einer von drei Schülern befand sich in Schulen, in denen die Lehrer nicht über die notwendigen technischen und pädagogischen Fähigkeiten verfügten, um digitale Geräte in den Unterricht zu integrieren, und nicht über wirksame Ressourcen, um die Technologie in den digitalen Unterricht oder den Fernunterricht einzubinden.
  • In vielen Ländern/Volkswirtschaften gab es sozioökonomische Unterschiede bei der Verfügbarkeit digitaler Technologien in den Schulen. In Brasilien, Mexiko und Panama zum Beispiel hatten weniger als 20% der Schüler in benachteiligten Schulen Zugang zu einer Online-Lernunterstützungsplattform, während fast 60% oder mehr Schüler in benachteiligten Schulen in diesen Ländern einen solchen Zugang hatten.
  • Im Durchschnitt der OECD-Länder und in fast allen Ländern/Volkswirtschaften, die an PISA 2018 teilgenommen haben, hatten Schülerinnen und Schüler in benachteiligten Schulen weniger Zugang zu einem ruhigen Ort zum Lernen, einem Computer für Schularbeiten und einem Internetanschluss zu Hause als Schülerinnen und Schüler in begünstigten Schulen.

So lautet denn auch die Forderung von Schleicher, die sich nicht zuletzt Deutschland zu eigen machen sollte:

„Jedes Land sollte sich stärker anstrengen, um zu gewährleisten, dass alle Schulen über die erforderlichen Ressourcen verfügen, damit jedem Schüler gleiche Lern- und Erfolgschancen geboten werden.“

Hier finden Sie die vollständige Studie.