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Joseph von Arimathäa ist einer aus jener Handvoll Menschen, denen in der Begegnung mit dem „historischen Jesus“ eine kurze, aber einzigartige und unwiederholbare Aufgabe zukam.
Er gehörte zu denen, die Jesus gefolgt waren, oder sich ihm zumindest nahe fühlten. Vielleicht hatte er sich nicht deutlicher zu ihm bekennen wollen, weil es ihn sozial isoliert hätte. Er war schließlich ein wohlhabender und angesehener Mann, der sicher ein gewisses gesellschaftliches Risiko auf sich nahm, als er Pilatus bat, den Leichnam Jesu bergen zu dürfen.
Darin immerhin zeigte er Größe und Mut. Sich um einen Hingerichteten zu kümmern, der als Verbrecher rechtskräftig verurteilt war? Wie passt denn das zur hohen gesellschaftlichen Stellung des Mannes? Vielleicht tat es ihm leid, nichts getan zu haben, nichts vermocht zu haben, als Jesus vor Gericht stand. Ähnlich wie die Jünger aus dem engsten Kreis fürchtete er sich sicher, in den Prozess hineingezogen zu werden, oder den Zorn des Mobs auf sich zu ziehen. Die pietätvolle Sorge um den Leichnam wäre dann eine kleine Wiedergutmachung gewesen, wenn auch eine etwas bemühte, hilflose Aktion.
So geht es uns aber auch, manchmal; in kleinen, scheinbar unbedeutenden Dingen. Wir verpassen eine Chance, reagieren nicht richtig, und nachher tut es uns leid. Wir haben gehört, dass unser Nachbar schwer krank war, aber irgendwie sind wir nicht dazu gekommen, ihn zu besuchen. Nun ist er wieder zuhause; na prima. Dann schicken wir jetzt ein paar Blumen – und sind froh, dass wir sie nicht auf sein Grab legen müssen. Wir haben gehört, dass da eine junge Frau zur Abtreibung gedrängt wird, finden das schlimm, kommen aber irgendwie nicht in die Gänge. Wie kann man sich da einmischen? Und dann besuchen wir sie nachher. Zu wenig, zu spät. Joseph von Arimathäa hat immerhin getan was er konnte. Wenigstens das sollten wir uns auch sagen können.
Schnittstelle zum Transzendenten
Das Grab, in das Jesus gelegt wurde, befand sich ganz in der Nähe der Hinrichtungsstätte. Es wird extra betont, dass es noch neu und unbenutzt war. Offenbar war das keine Selbstverständlichkeit, besonders nicht für einen Hingerichteten. Hier machte sich Joseph von Arimathäa erneut verdient um den Meister; er sorgte für eine würdige Beisetzung. Ein Grab könnte immerhin eine schöne Erinnerungsstätte sein. Wie viele Angehörige von Kriegstoten finden Trost darin, das Grab des Verstorbenen doch noch irgendwann aufzufinden. Ein wenig Trost für Familienangehörige, ja. Ansonsten hat so ein Grab aber etwas Endgültiges, steht für Verlust und Trennung.
Der Gedanke an die „Grabesruhe“ zwischen Tod und Auferstehung Jesu ist kaum zu ertragen; ein letzter und äußerster Beweis der Menschheit Jesu – und seiner Opferbereitschaft. Hinabgestiegen in das Reich des Todes…
Der Kreuzweg endet hier. Kein schnelles Überspringen des Todes, auch wenn wir um die Auferstehung wissen. Es ist gut, das so auszuhalten. Obwohl wir wissen, dass wir selbst – wie Christus – die Auferstehung vom Tode erhoffen dürfen, bleibt uns ja der Blick über den Horizont unseres eigenen Todes verwehrt. Die Perspektive des Kreuzwegs ist die unseres eigenen Lebens. Wir gehen den Kreuzweg betend und meditierend mit Jesus; und er geht unseren – in der Regel unvergleichlich viel leichteren – Weg helfend und ermutigend mit uns (20).
20) Man kann – in Umkehrung eines berühmten „Memento mori“ – sagen: Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen. Dafür steht das – leere – Grab Jesu.