Lag vor 30 – 40 Jahren für die meisten Menschen der Lebenssinn in einer zufriedenstellenden Existenzabsicherung, meist angereichert durch eine Prise Erfolgs-Hoffnung, so geben nach einer repräsentativen Untersuchung des Hamburger BAT Sozialforschungs-Institutes 64% der Bundesbürger Spaß als Sinn des Lebens an. Schnell und mühelos soll es zugehen: ’Genuss pur’, ‘trendy sein’ und ‚Auffallen’ wird zur Lebensmaxime. Können, Sachargumente oder Leistung zählen kaum, Gags verdrängen Inhalte, der Spaß wird zum Ziel. Da kommt, trotz mancher Lacher, keine Freude auf.

Zu den Tücken eines Lebens in einer Spaßgesellschaft

Es erscheint mir angebracht, das Wollen und Streben dieser 2/3 Mehrheit einmal etwas genauer unter der Lupe zu betrachten. Was mögen diese Menschen mit Spaß verbinden? Um welches Lebensverständnis geht es? Was soll gleichzeitig bei einer so exzessiv angestrebten Leichtigkeit des Seins verdrängt werden? Laut Wörterbuch ist Spaß ein Mix aus Witz, Scherz, Posse, Jux und Narretei, kurz: verdichteter Unsinn. Leicht, angenehm, genussvoll und konsumierbar soll es sein. Demnach ist das Lebenskonzept solcher Zeitgenossen zwischen Wolken-Kuckucksheim und Schlaraffenland angesiedelt.

Spaß und Freude

Auch ist eine Differenzierung zwischen Spaß und Freude klärend. So geht Spaß in der Regel mit „Haben-wollen“ einher, andere sollen die Voraussetzungen schaffen, während Freude mit „bereiten“ assoziiert wird. Spaß ist meist oberflächlicher, Freude wirkt tiefer und ist ein prägendes Element zur Erreichung von Lebenszufriedenheit. Außerdem ist es erhellend, zwischen erhofften – meist aber ausbleibendem – Spaß auf dem Weg einer Zielerreichung und Freude über eine Zielerreichung zu unterscheiden. Gute Noten in der Schule und Erfolg im Leben wird jeder toll finden, aber von Kindesbeinen an ist zu trainieren, da die Götter in der Regel den Schweiß vor den Erfolg gesetzt haben.

Giga und Mega

Das Lebenskonzept von Spaß-Fixierten orientiert sich demnach an Herumhängen, viel Essen und Trinken, reichlich Fernsehen, im Internet surfen, Shopping, Sex und Super-Action. „Giga-geil“ muss es sein. Manchen Zeitgenossen macht selbst Mobbing, Diffamierung, Gewalt und Horror Spaß. Und weil derselbe Spaß auf Dauer keinen Spaß mehr macht, muss bald ein Mega-Plus-Programm her. Das Volk will mehr, bis hin zur Unerträglichkeit, wie manche TV-Formate offenkundig werden lassen.

Wenn jedoch Spaßsuche und Konsumorientiertheit zum Lebens-Sinn avancieren, heißt das im Umkehrschluss: Null oder geringe Chance für weniger lustvolle oder gar anstrengende Vorhaben und Aufgaben! So erhalten Selbst- und Mit-Verantwortung, Anstrengung, Nutzbringendes, Leistung, soziale Werte und Zukunftstiftendes einen Platzverweis.

  • Dementsprechend wird beim jüngeren Nachwuchs deutlich: Sprechen-Lernen, Zähneputzen, Regeln einhalten, gesunde Nahrung aufnehmen, Bewegungs-Training, Zimmer-Aufräumen, Schulaufgaben erledigen, – dazu hab ich keine Lust, ist mir zu schwer, will ich nicht!
  • Bezogen auf zwei Aspekte aus dem Alltag von Jugendlichen: Im Umgang mit weichen bzw. harten Drogen oder in erotisch lustvollen Situationen Verantwortung leben: – Nein danke, das wäre pur un-cool.
  • Die Eltern-Variante sieht dann so aus: Intensive Beziehungszeiten, nervige Auseinandersetzungen, Verlässlichkeit bei Vereinbarungen, Garant für Regelabläufe, Einführung in die großen oder kleinen Geheimnisse des Lebens? – Bloß nicht, ist zu zeitintensiv und meist gar nicht lustig. Anstelle von Engagement und Konsequenz setzt raffinierte Selbstübertricksung nach dem Strickmuster ein: ‚Heute wachsen halt alle freier heran’, und ‚Wir wollen unsere Kinder ja auch nicht zwingen!’
  • Und zur Ergänzung hier einige Beispiele für das Leben der Erwachsenen: Fitness für Körper und Seele, sich beruflich weiterbilden, Engagement im Gemeinwesen, Aufgaben gewissenhaft erledigen, Konflikte im persönlichen Umfeld angehen, Zeit und Ideen zur Revitalisierung von Partnerschaft und Ehe einbringen: `Ohne mich, da gibt es lustigere Alternativen – ‚Leben im Hier und Jetzt’ ist angesagt!

Hier werden die Prioritäten einer Spaß-Konsum-Gesellschaft deutlich, häufig einhergehend mit falschen Selbstverwirklichungs-Vorstellungen. Eine solches Spaßverständnis entwickelt sich jedoch schnell zum Horrortrip für Viele, da so die psychische Stabilität des Einzelnen wie der Gesamtgesellschaft unterminiert wird.

Die Sprach- und Denkmuster einer Erziehung im Schongang

Immer wenn gesellschaftliche Trends beschrieben werden, tendieren nicht wenige Zeitgenossen dazu, sich als Betroffene oder Nicht-Beteiligte zu sehen. Aber wir alle sind in der Regel – mehr oder weniger umfangreich – auch Akteure einer solchen Entwicklung. Denn durch typische Redewendungen oder Verhaltensweisen im alltäglichen Umgang mit unseren Kindern wird der oben beschriebene Mix aus Spaß und Nachgiebigkeit geprägt. Die häufigsten Nennungen von Eltern innerhalb vieler Seminare machen den Vorgang konkret:

  • Magst du wirklich noch weiter üben?
  • Wenn du Lust hast, kannst du ja mal …
  • Möchtest du mir bei den Hausarbeiten helfen?
  • Wenn die Schulaufgaben zu schwer sind, dann lass es!
  • Ich mach das schon für dich!
  • Macht es dir auch Spaß?
  • Kann der Arzt dich jetzt untersuchen?
  • Lass es, das wird zu anstrengend sein!
  • Ich will dich ja nicht zwingen!
  • Wenn du jetzt schon vorher was Essen willst?
  • Heute ist kein gutes Wetter, da fahre ich dich lieber zum Sport!
  • Wenn du jetzt schön brav bist, bekommt du anschließend …

Grundlegende Fähigkeiten wie: Dranbleiben, Bedürfnis-Aufschub, lustfreie Anstrengung, Mitwirkung im Haushalt, sich in Regelabläufe einordnen und nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, werden auf diese Weise keinesfalls erlernt. Dabei werden auf Seite der Eltern oder anderer Erziehungskräfte folgende Grundhaltungen deutlich:

  • Ist es recht so?
  • Immer mithalten zu wollen
  • Begrenzungen schaden der zarten Kinderseele
  • Ich helfe gern!
  • Ausgleich für schlechtes Gewissen – z.B. zu wenig Zeit
  • Mein Kind soll es einmal besser haben
  • Fehlende Konflikt-Fähigkeit
  • Ein zu großes Harmoniebedürfnis –
  • kurz: die klassischen Verwöhn-Motive

Wenn jedoch mühelos ein sicheres Überleben möglich ist, wozu sollten dann Jugendliche – oder nach Jahren Erwachsene – die Verantwortung für die eigene Zukunft übernehmen? Denn satte Bäuche mögen weder Leistung noch Selbstverantwortung! So kann deutlich werden: Zu Erfolg und Lebensglück gibt es keinen Spaß-Lift. Wer nach oben möchte, muss die Mühe der Treppen auf sich nehmen!


Vorheriger ArtikelCredo (5) – Auferstehung
Nächster ArtikelSchmetterling und Taucherglocke
Dr. Albert Wunsch
Dr. Albert Wunsch ist Psychologe und promovierter Erziehungswissenschaftler, Diplom Pädagoge und Diplom Sozialpädagoge. Bevor er 2004 eine Lehrtätigkeit an der Katholischen Hochschule NRW in Köln (Bereich Sozialwesen) begann, leitete er ca. 25 Jahre das Katholische Jugendamt in Neuss. Im Jahre 2013 begann er eine hauptamtliche Lehrtätigkeit an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) in Essen / Neuss. Außerdem hat er seit vielen Jahren einen Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der Uni Düsseldorf und arbeitet in eigener Praxis als Paar-, Erziehungs-, Lebens- und Konflikt-Berater sowie als Supervisor und Konflikt-Coach (DGSv). Er ist Vater von 2 Söhnen und Großvater von 3 Enkeltöchtern. Seine Bücher: Die Verwöhnungsfalle (auch in Korea und China erschienen), Abschied von der Spaßpädagogik, Boxenstopp für Paare und Mit mehr Selbst zum stabilen ICH - Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung, lösten ein starkes Medienecho aus und machten ihn im deutschen Sprachbereich sehr bekannt.