Viele von uns gehen mehr oder weniger im Zeitgeist auf, gehen zumindest mit der Zeit… Da gibt man sich aufgeklärt und intellektuell, weiß besser als frühere Generationen was wahr oder glaubhaft ist. Zwar hinterfragen wir selten oder nie warum wir etwas für plausibel halten und anderes nicht. Aber wir fühlen uns sicher im Strom des allgemein Plausiblen. Wir folgen doch der Wissenschaft, oder?
Der Kirchenglaube erscheint dagegen irgendwie „unterkomplex“ und darf belächelt werden. Aber – sonderbar – sobald der Glaube einmal hohe und höchste Anforderungen an den Intellekt stellt, da müssen wir passen? Was denn nun: Ist der Glaube zu simpel oder zu komplex?
Jedes Frühjahr gibt es Gelegenheit, darüber einmal nachzudenken, beschert uns doch das Kirchenjahr zwei Hochfeste, die direkt unsere eigene Lebenserfahrung ansprechen, aber auch unsere maximale Denkfähigkeit herausfordern. Lassen wir uns darauf ein!
Nützliches „Kirchenjahr“
Am Sonntag nach dem Pfingstfest[1], dem Fest des Heiligen Geistes, feiern die Christen den „Dreifaltigkeitssonntag“. Beide Hochfeste sind eng aufeinander bezogen und lenken unsere Aufmerksamkeit noch einmal auf eine elementare Grundwahrheit des christlichen Glaubens: Dass Gott einer ist, in drei Personen – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Was theologisch kompliziert klingt – und oft auch so bezeichnet wird, beinahe so, als sei das letztlich ganz unverständlich – gründet doch in einer langen und allen Menschen zugänglichen Tradition – Tradition nicht im Sinne der Beschlussfassung durch Gremien, Konzilien, menschliche Erkenntnisse, sondern im Sinne einer schrittweisen Offenbarung.
Offenbarung und Erfahrung
Schon das Alte Testament enthält deutliche Hinweise auf die Trinität: Ob es um den Besuch der drei geheimnisvollen Männer bei Abraham geht, die er ehrfurchtsvoll im Singular als „Herr“ anredet (Genesis 18); oder um die prophetische Rede im Buch Jesaja, in der die Gaben des Heiligen Geistes genannt werden (Jesaja 11,2). Und schon in den ersten Worten der Bibel kommt der Hl. Geist vor (Genesis 1, 2).
Dass wir Gott auf unterschiedliche Weise erfahren, ist auch an den verschiedenen Gottesnamen im Alten Testament ablesbar. Die christliche Theologie unterscheidet danach im Rahmen der historisch-kritischen Exegese seit alters die verschiedenen Schichten der Überlieferung[2] in der Schrift. In der jüdischen Tradition ist aber noch ein anderes Element überliefert, das wir ernst nehmen sollten: Wird Gott mit dem Wort „Elohim“ (einem Plural![3]) bezeichnet, dann ist der Schöpfer und Richter gemeint. Wird der heilige Gottesname „Jahwe“ verwendet, dann ist es der liebende, erbarmende Gott. Zugleich ist in der jüdischen Tradition die Einzigkeit Gottes[4] so stark betont, wie nie zuvor in der Religionsgeschichte.
Jesus selbst spricht seinen Jüngern gegenüber von seinem „Einssein“ mit dem Vater (Joh. 10, 38)[5] und sagt Ihnen die Sendung des Heiligen Geistes zu[6], der als Tröster, Beistand, Anwalt zu den Menschen kommt. Jesus tröstet damit schon vor seinem Leiden die Jünger, auch wenn sie die ganze Tragweite dieser Aussagen zuerst kaum verstanden haben dürften. Sie werden jedenfalls nicht allein gelassen, soviel war klar. Und das gilt auch heute noch: Gottes Zuwendung zu den Menschen ist keine Episode, sondern ein bleibendes und wirklich umfassendes „Engagement“.
Wie ist das logisch zu verstehen?
Es gibt viele Versuche, die Trinität alltagstauglich verständlich zu machen. Wie kann Einer in drei Personen sein? Ist das nicht widersprüchlich? Ein Vergleich aus der Naturwissenschaft wird vielfach verwendet: Wasser ist chemisch gesehen H2O, tritt aber als Flüssigkeit (Wasser), Gas (Dampf) oder feste Substanz (Eis) auf. Ganz verschiedene Erscheinungen, aber dieselbe Sache. Keine echte Erklärung, klar. Aber es hilft zum Ausräumen von voreiligen Denkblockaden. Auch wenn mit solchen oder ähnlichen Vergleichen natürlich nicht die Tiefe des göttlichen Geheimnisses ausgelotet werden kann, hilft es doch dabei, im alltäglichen Leben Missverständnisse und Verständnis-Hindernisse aus dem Weg zu räumen – und offen zu werden für die Offenbarungen Gottes, die entgegen dem landläufigen Verständnis nicht mit dramatischen Erscheinungen und einschüchterndem Getöse einhergehen, sondern oft leicht und „flüsternd“[7] geschehen.
Der große Unbekannte[8]
Das Verhältnis von Gottvater und Sohn ist den meisten Gläubigen geläufig und verständlich. Aber der Heilige Geistwird oft weniger beachtet oder gar übergangen. Dabei ist er doch allezeit bei uns[9], und ganz besonders in Zeiten multireligiöser Gesellschaften sollten wir ihn wieder mehr in den Blick nehmen. Wir brauchen seinen Beistand im besten Sinne zum „Scheiden der Geister“…
Eine verbreitete Erklärungshilfe zielt darauf ab, dass der Heilige Geist die Liebe ist, die Vater und Sohn verbindet. Das ist ein tiefsinniger Gedanke, der sich schon bei Thomas von Aquin findet. Nur darf uns das nicht zu dem Fehlschluss verleiten, der Heilige Geist sei eine Art Prinzip und nicht Person. Auch wenn wir – mit der Schrift – sagen dürfen „Gott ist die Liebe“[10], dann hat das natürlich nichts mit dem pantheistischen Missverständnis zu tun, das Gott zu einem Prinzip oder einer letzten Ursache zu degradieren sucht.
Der Glaube ist einfach
Wir müssen nicht spezialisierte Theologen sein, um uns für das Geheimnis zu öffnen; es stimmt schon, was Benedikt XVI. sagte: „Der Glaube ist einfach“[11]. Und das gilt auch für das Wirken des Heiligen Geistes. Gebete zum Heiligen Geist und Aufmerksamkeit auf seine Gegenwart können uns weiter bringen als manche theologische Vorlesung. Und stellen wir uns einfach in den breiten Strom der christlichen Glaubenserfahrung, die sich in der Rede von den „Gaben des Heiligen Geistes“ und seinen „Früchten“ niedergeschlagen hat.
(Wird fortgesetzt)
[1]„Pfingsten“ von altgriechisch πεντήκοντα (pentékonta): fünfzig. 50 Tage nach Ostern.
[2]Die mutmaßlichen Autoren werden als „Jahwist“ bzw. „Elohist“ bezeichnet; daneben die „Priesterschrift“.
[3]Um Fehlschlüssen vorzubeugen: Das ist im Althebräischen kein „Pluralis Majestatis“!
[4]Vgl. das jüd. Glaubensbekenntnis, das „Schema Jisrael“: Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig.
[5]„Dann werdet Ihr erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin“.
[6]Joh. 14, 16-17
[7]Vgl. schon die Gotteserscheinung am Horeb, 1 Kön. 19, 12
[8]So formulierte es treffend der Hl. Josefmaria Escrivá.
[9]https://opusdei.org/de/article/der-grosse-unbekannte-wirkt-in-uns-wenn-wir-es-zulassen/
[10]Vgl. dazu die Enzyklika von Papst Benedikt XVI. „Deus Caritas est“. Passim.
[11]Vgl. https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/homilies/2006/documents/hf_ben-xvi_hom_20060912_regensburg.html