Kaum ein anderer Tag des Jahres hat so einen sonderbaren und kompakten Namen wie der einunddreißigste Dezember. Klar, wir kennen diese Festtags-Namen, wie gerade wieder Heiligabend und Weihnachten. Darunter kann man sich immerhin etwas vorstellen. Aber „Silvester“? Da denkt man vielleicht an Party, Sekt und (gerade noch) Feuerwerk. Aber wieso heißt das überhaupt so? Komischer Name eigentlich…

(Un-) Heimliche Begegnung?

Den wenigsten Zeitgenossen dürfte bewusst sein, dass sie ganz am Ende des Jahres dem Papst begegnen, Papst Silvester I.[1] genauer gesagt. Weil er an einem 31. Dezember gestorben ist, wird dieser Tag als sein Gedenktag gefeiert und trägt deshalb seinen Namen[2]. Dass nun ausgerechnet der Name eines zwar „heiligen“, aber heute kaum mehr bekannten Papstes in unserem Leben noch so präsent ist und sogar die Jahreswende markiert, entbehrt aber nicht einer tieferen Logik.

Eine Zeitenwende

Silvester war Papst zu einer außergewöhnlichen Wendezeit. Er wurde im späten dritten  Jahrhundert in Rom geboren; seine Priesterweihe empfing er vermutlich im Geheimen, während der Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian. Im Jahre 314 wurde er zum Bischof von Rom gewählt, und damit zum „Nachfolger Petri“, also zum Papst. Gerade einmal ein Jahr zuvor war mit dem „Mailänder Edikt“[3] die Zeit der immer wiederkehrenden Christenverfolgungen endlich zu Ende gegangen.

In Silvesters Pontifikat[4] fielen dann zwei herausragende, wahrhaft epochale Ereignisse: Das Konzil von Nikäa (325 n.Chr.), auf dem zentrale Wahrheiten des christlichen Glaubens schriftlich festgehalten wurden, und die Taufe Konstantins (337 n. Chr.)[5].

Legenden und Fakten

Papst Silvester soll den Kaiser Konstantin sogar persönlich getauft haben. Einer Legende nach wurde der Kaiser durch des Papstes Hilfe von schwerer Krankheit geheilt, und zum Dank soll er ihm die Stadt Rom und das ganze Abendland „geschenkt“ haben – eine Legende, die als „konstantinische Schenkung“ in die Geschichte einging. Wahrer Kern dieser Legende ist die Tatsache, dass Konstantin den Papst bzw. die Kirche großzügig unterstützt und aus der Not der langen Verfolgungsjahre befreit hat.

Eine andere, sog. „schwarze Legende“, die im ausgehenden 18. Jahrhundert von einem populären, kirchenfeindlichen Autor[6] aufgebracht wurde, hat dagegen das Bild der frühen Christenheit für lange Zeit verdüstert. Ausgehend von der Behauptung, das Christentum trage große Schuld am Niedergang des Römischen Reiches, wurde in der Folge die „konstantinische Wende“ geradezu dämonisiert. Bis heute wird immer wieder eifrig kolportiert, die Christen hätten, kaum dass sie von Verfolgung befreit gewesen waren, nun ihrerseits angefangen, die „heidnischen“ Religionen zu verfolgen.

Daran ist allerdings genauso wenig Wahrheit, wie an der angeblichen Schenkung Konstantins; denn unter Papst Silvester und noch Jahrhunderte später blühten in Rom und in den römischen Provinzen diverse heidnische Kulte und Sekten kräftig weiter.

Prosit Neujahr!

Wir können den Festtag des Hl. Silvester jedenfalls unbekümmert feiern: Sein Todestag, der 31. Dezember, erinnert an eine historische Wendezeit, die ganz und gar positiv war, weil sie grausamer Verfolgung und Tyrannei ein Ende setzte und eine humanere Zeit einläutete[7]Silvester ist also ein Tag, an dem man guten Gewissens Freudenfeste veranstalten und Sektkorken knallen lassen kann!


[1]Er starb 335 n. Chr. und wurde später heiliggesprochen .

[2]So wie viele Namenstage von Heiligen. Etliche von ihnen, die auf besondere Daten fallen, haben seit jeher das Leben der Menschen geprägt und wurden feste Alltagsbegriffe: So gab es Zahlungsfristen, wie zum Beispiel „an Johannis“, oder Wetter- und Bauernregeln („wie Sankt Kathrein wird Neujahr sein“).

[3]Eigentlich eine Vereinbarung zwischen Kaiser Konstantin und seinem Mitkaiser über die Gewährung von Religionsfreiheit im Römischen Reich.

[4]Seine Amtszeit als Papst.

[5]Der Kaiser ließ sich erst am Ende seines Lebens, quasi „auf dem Totenbett“ taufen, hatte aber zuvor schon das Christentum gefördert. Die „Taufe Konstantins“ steht gewissermaßen als Chiffre für sein Lebenswerk als  christlicher bzw. pro-christlicher Herrscher.

[6]Edward Gibbon. Wohlhabender englischer Grundbesitzer, Schriftsteller und zeitweise Politiker. Er war kein Historiker, erzielte aber mit seinem umfangreichen Werk über den Untergang des Römischen Reiches nachhaltige Wirkung, besonders mit seiner abwertenden Darstellung des frühen Christentums. In Charakter und Wirkung ist Gibbons Buch sozusagen der „Zwilling“ der Legende von der konstantinischen Schenkung, quasi mit umgekehrten Vorzeichen.

[7]Vgl. hierzu: https://erziehungstrends.info/schwarze-legenden-die-konstantinische-wende