Ich sitze an meinem Schreibtisch und habe zu arbeiten. Neben mir liegt auf einem Kissen unser Kätzchen und schläft. Sie schläft viel in dieser Jahreszeit, aber sie ist auch dann nicht gern allein. Zusammengerollt wie eine Schnecke sieht sie aus einiger Entfernung aus wie ein großes Fellknäuel. Ihre Haare sind so lang, besonders jetzt im Winter, dass man kaum erkennen kann wo Kopf oder Schweif sind. Der Anblick des langsam atmenden felligen Bündels erfüllt mich mit milder Zuneigung und Ruhe. Zu meiner Frau sage ich: sie ist unsere Therapiekatze, so beruhigend ist ihr Einfluss. Wenn ich mit der Hand sachte über das weiche, seidige Fell des Tieres streiche, höre ich ein leises, wohliges Schnurren. Das Kätzchen wacht nicht auf, fühlt sich sicher und geborgen. Ein Anblick des Friedens, eine Verkörperung von gelassener Zuversicht und Sorglosigkeit.
Katzen sind, so sagt man, sehr territorial. Sie brauchen ihre vertraute Umwelt, und ein Umzug wäre eine große Verunsicherung, wenn nicht gar eine Katastrophe für sie. Wie unstet und anspruchsvoll ist dagegen unser Life Style, den wir ja auf keinen Fall gegen Weniger eintauschen würden. Die Ruhe einer Auszeit auf dem Lande oder in einem Kloster ist schon eine gute Sache; aber nur bei gesicherter Rückkehr ins Aufgeregte. Zum Glück weiß unser Kätzchen nichts davon, dass meine Heimarbeit heute höchst unerfreulich ist. Schon der Blick auf meinen Kontostand war nicht gut für meinen Blutdruck. Wenn nicht bald eine bestimmte Sache geklärt wird, muss ich mir Sorgen machen. Einfluss auf die Dinge habe ich kaum. Und pessimistisch, wie ich nun leider mal bin, blicke ich auf das Erwartbare im nächsten Jahr, und da sieht es nicht gut aus.
Kätzchen weiß davon nichts. Sie hatte schon mal schwere Zeiten, die Arme; nichts wünsche ich ihr mehr, als fortgesetzte Sicherheit und Stabilität. „Stabilitas loci“ – Festigkeit des Wohnortes, das ist ein altes monastisches Prinzip. Die Ordensleute aus den kontemplativen Gemeinschaften bleiben am Ort, ziehen nicht umher. Das kann man in der Arbeits- und Lebenswelt unserer Tage als Normalsterblicher gar nicht mehr. Die allermeisten Leute wollen das auch nicht, ganz im Gegenteil. Aber für unser Kätzchen wäre es das Richtige. Ich weiß wie schlimm ein Wohnortwechsel für sie wäre. Aber sie schläft still und friedvoll. Sie vertraut auf mich.
Ich mache ja auch was ich kann; will ja selbst nicht umziehen müssen. Das hatten wir schon zu Genüge. Aber die Kosten wachsen mir über den Kopf, und es kommt weniger Geld rein als nötig. Wie lange geht das noch? Woher kommt Erleichterung? Ich verfalle wieder in jenen Gemütszustand, der mit dem Wort „Beunruhigung“ so treffend beschrieben ist. Nicht elementare Angst, nicht Panik oder Schrecken, sondern diese leise, aber unaufhörlich stichelnde Unruhe. Ich kenne alle meine gedanklichen Ausweich-Manöver und Beruhigungspillen, deshalb kann ich mich nicht selbst „ruhigdenken“. Da frage ich mich: Wer von uns beiden macht hier etwas falsch?
Zugegeben: Selbst im schlimmsten Fall würden wir ja weder obdachlos, noch sonst allzu tief „fallen“. Bloß eine Kostenreduktion eben… Was sollen da andere sagen? Wie viele haben viel größere Sorgen… Außerdem sollte ich nicht immer gleich das Schlimmste annehmen und mir die Last und Sorge einer erst erwarteten Zukunft aufladen. Es ist doch immer gut gegangen… Wozu die ewige Unruhe? Habe ich das denn schon vergessen: Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage. Das hat der Mann aus Nazareth gesagt, und wie recht er hat! Ich habe es ja auch meinen Kindern immer gepredigt: Vertrauen macht das Leben leichter. Der Herrgott will Euch helfen, wartet geradezu darauf. Nehmt das ernst! Warum also fällt es mir so schwer, selbst damit Ernst zu machen? Etwas mehr Gottvertrauen wäre angebracht. Komm Heiliger Geist…
Auf einmal wird mir klar, wie das mit dem Mammon in der Bibel gemeint ist: Man kann nicht Gott dienen und dem Mammon. Bisher habe ich immer gedacht, wie wahrscheinlich die meisten Leute, das bezieht sich auf reiche und gierige Typen. Und natürlich stimmt das bei solchen ja auch, die nur auf das Materielle sehen und dafür ihre Großmutter verkaufen würden, ihre Seele sogar. Aber so sind wir ja nicht. Wir doch nicht! Jetzt aber wird mir plötzlich klar, dass ich eigentlich auch ein wenig ein Mammon-Jünger bin. Oder? Wenn mir sogar zur Weihnachtszeit die Sorge um das Geld diese immer leise stechende Beunruhigung eingibt, die einfach nicht vergehen will. Das ist fast wie eine Sucht, und mir gehen die Nerven durch, wenn ich nicht genug kriege – money, money, money… Der Mammongötze flüstert mir ein „das ist Deine Priorität! Erst das Materielle, dann das Gedöns…“. Schlimme Sache eigentlich.
Der Blick auf mein schlafendes Kätzchen lenkt meine Gedanken wieder zurück ins Hier und Jetzt. Sie hat sich kurz erhoben, ordentlich gestreckt und andersherum wieder hingelegt. Nun schläft sie wieder tief und fest und schnurrt wohlig, wenn ich ihr über den Kopf streiche. Okay, ich will es einmal versuchen: weniger sorgen, das Meine tun, sonst Gott vertrauen. Eine schöne Vorstellung, dass er über meinen Schlaf so wacht wie ich jetzt über den meines Kätzchens. Und sogar über mein Tun; und ganz anders noch als ich es kann. Vielleicht sollte ich das als einen Wink verstehen. Das Kätzchen schlägt kurz die Augen auf, dreht sich um und lehnt sich ganz leicht an mich. Seufzt ein wenig auf und ist vollkommen ruhig. Danke für den Tipp mein Kätzchen!