Uns alle hat das Virus überrascht und in bestimmter Hinsicht aus der Bahn geworfen. Warum ist das eigentlich so? Konnten die Menschen in früheren Zeiten nicht besser mit Krisen umgehen? Was hat sich denn seither geändert?
Was hat sich geändert?
Funktionieren vielleicht die Auffang-Mechanismen von Schwierigkeiten und Problemen nicht mehr so gut? Früher gab es doch auch Krisen und vielleicht noch viel mehr und viel schlimmere: Verheerende Krankheiten wie die Pest, die ganze Landstriche entvölkert hat, es gab Hungersnöte, die viele Tote gefordert haben, es gab Kriege, die Städte und Länder zerstört haben.
Aber in vergangenen Jahrhunderten sind die Menschen vielleicht anders mit Notlagen umgegangen. So war die Nähe zum Tod natürlicher und selbstverständlicher, da man ihn direkter und unmittelbarer erlebte, denn er war noch nicht aus unserem Leben und Erfahrungsbereich herausgedrängt worden. Zum anderen gab es natürlicherweise ein Auffangnetz, geknüpft aus den Ursprüngen des Menschseins: die Stammes- oder Familienzugehörigkeit, die in allen Notlagen funktionierte und die Sicherheit gab.
Wer gibt Antworten auf den Tod?
Da wir heute dem Tod meist nur virtuell begegnen, hat er das Bedrohende seiner Wirklichkeit verloren. Die Notwendigkeit, sich ganz persönlich mit ihm auseinanderzusetzen, ist weniger dringend und konnte bisher leichter verdrängt werden. Ablenkungsmöglichkeiten gab es an jeder Ecke und in jeder Form.
Jetzt werden täglich die Zahlen der Gestorbenen im eigenen Land, in der eigenen Stadt, im eigenen Bezirk aufgelistet. Der Tod ist näher gerückt, wirklicher geworden, täglich und persönlich.
Wir sind nicht mehr daran gewöhnt, den Tod mit unserem Leben zu verbinden. Jetzt kommt er uns nahe, zu nahe. Darauf waren wir nicht gefasst. Darauf haben wir keine Antwort- und kaum jemand wagt, uns eine Antwort zu geben. Worin kann der Sinn des Sterbens liegen und wie kann ich damit fertig werden?
Wer ersetzt die Familie?
Und wie steht es mit der Sicherheit durch die familiären Strukturen? Die Großfamilie, in der beim Ausfall eines Gliedes ein anderes nahtlos einsprang, ist schon lange Geschichte. Aber auch das Netz der Kleinfamilie ist in vielen Fällen löcherig geworden. Es rächt sich, dass die Mitte der Familie aufgegeben wurde, die natürlicherweise in der Mutter bestand, bei der alle sozialen Elemente zusammenliefen.
Wo es in der jetzigen Krise nicht möglich ist, dass die Mutter wieder mehr, wenn schon nicht ganz zum Mittelpunkt der Familie wird, sieht es schlecht aus um Sicherheit und Geborgenheit gerade für jüngere Kinder. Der Staat, so merken auf einmal alle, kann die Mutter nicht ersetzen. Die Gesellschaft hat den Müttern zwar immer wieder eingeredet, dass sie sich nur außerhalb der Familie selbst verwirklichen können. Und sie haben es geglaubt, sie mussten es glauben, da alle so handelten. Und wer sich dem entzog, der wurde bestenfalls belächelt. Aber jetzt, wo Kitas, Schulen, Sozialeinrichtungen etc. wegbrechen, merken vor allem die Mütter, dass sie nicht zu ersetzen sind. Und die ganze Familie leidet unter ihrer Abwesenheit.
Ein besonderer Muttertag
Wir brauchen unsere Mütter als Mütter wieder, mehr denn je und dringender denn je. Der Muttertag in dieser Zeit bekommt eine ganz besondere Note: es sind nicht nur schöne Worte, die den Müttern an diesem Tag mit Blumen garniert überreicht werden.
Es ist eine existenzielle Erfahrung, mit der wir den Müttern „danke“ sagen. Und auch, wenn sich in der Gesellschaft die Ideologen nicht ändern werden, da für sie die Wirklichkeit nicht zählt, viele haben es jetzt am eigenen Leib gespürt: ohne die Mütter geht es nicht, ohne die Mütter funktioniert Familie nicht, ohne die Mütter geht Sicherheit und Geborgenheit verloren und kann durch nichts anderes ersetzt werden.
Die einmalige Chance aus dieser Krise Wichtiges zu lernen: Lernen wir wieder Selbstverständliches, lernen wir, dass der Tod zum Leben gehört und lernen wir, dass wir die Mütter als Mütter brauchen. Und feiern wir – jeder der noch das Glück hat, eine Mutter zu haben – den diesjährigen Muttertag besonders kräftig!