Nein, er hat nicht das „Kommunistische Manifest“ zu verantworten, und für ihn hat auch nicht eine  kommunistische Staatspartei ein voluminöses Denkmal in der Mosel-Stadt aufgestellt. Nicht im 19. Jahrhundert hat er gelebt, sondern zu einer Zeit, als Trier selbst Hauptstadt eines Großreiches war. Das ist nun schon rund siebzehnhundert Jahre her, aber was er damals zu sagen hatte, wird die Nachwirkungen anderer berühmter Trierer noch lange überdauern. Und manches an seinem Leben und Werk ist heute von geradezu unheimlicher Aktualität …

Steile Karriere im Staatsdienst

Aurelius Ambrosius wurde 339 n. Chr. als Sohn des gleichnamigen römischen Präfekten in Trier geboren. Die Stadt, eine römische Gründung mit dem Namen „Augusta Treverorum“[1], war damals eine der vier Hauptstädte[2] des Römischen Reiches. Der junge Ambrosius stammte nicht nur aus einer bedeutenden Familie, sondern war auch besonders begabt, und sein Werdegang schien ihn auf die höchsten Staatsämter vorzubereiten. Seine Ausbildung erfuhr er in Rom; er wurde schon in jungen Jahren ein berühmter Anwalt, und im Alter von 33 war er Statthalter in Ligurien und der Aemilia, mit Amtssitz in Mailand.

Eine unerwartete Wende

Sein restliches Leben und Wirken spielte sich fast ganz in der oberitalienischen Stadt ab[3], die zeitweise ebenfalls kaiserliche Residenz war. Aber Ambrosius wäre heute nur noch einigen Fachgelehrten bekannt, wenn es bei seiner hohen staatlichen Position geblieben wäre. Die Karriere des erfolgreichen und im Volk höchst beliebten Präfekten nahm aber eine auch für ihn unerwartete Wendung, als er im Jahre 374 schlichtend in einen schweren Konflikt im Bistum Mailand eingriff – mit so viel Geschick und Weisheit, dass ihm selbst, auf Drängen des Volkes, das Amt des Bischofs geradezu aufgenötigt wurde.

Und was geht uns das an?

Nun könnte man fragen: Warum soll uns das interessieren? Wer will schon wissen, wer vor fast 1700 Jahren das Bischofsamt in Mailand innehatte? Ambrosius war aber nicht nur irgendein Bischof. Er gilt als einer der vier großen abendländischen Kirchenlehrer[4]; auf seinen Einfluss geht zurück, dass sich ein anderer Großer jener Zeit, Aurelius Augustinus, der dann selbst einer der bedeutendsten Kirchenlehrer wurde, taufen ließ. Darüber hinaus hat Ambrosius Grundlagen der Kirchenmusik geschaffen, die bis heute nachwirken. Und ein Blick auf sein Leben und Wirken kann uns etwas für unsere eigene Zeit lehren.

Auf der Kippe

Zur Zeit des Ambrosius bekannte sich kaum ein Fünftel der Einwohner des Römischen Reiches zum christlichen Glauben. Die Zeit der Verfolgungen hatte erst  kurz zuvor[5] geendet, und im römischen Senat gab es Bestrebungen, das Christentum wieder zurückzudrängen und die heidnischen Kulte erneut zu privilegieren. Hinzu kam, das die Kirche geschwächt und innerlich durch die Auseinandersetzung mit dem Arianismus[6] zerrissen war, einer Abspaltung von der kirchlichen Lehre, der auch viele Bischöfe anhingen, und der sogar Ambrosius‘ Amtsvorgänger als Bischof von Mailand angehört hatte. Nach der „konstantinischen Wende“[7] wurde die Kirche zwar nicht mehr mit staatlicher Repression verfolgt, aber in vielerlei Hinsicht schien ihre Zukunft mehr denn je „auf der Kippe“ zu stehen. Ambrosius‘ unerschrockenem Einsatz, der weit über sein Bistum hinaus reichte und die ganze Christenheit stärkte, ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass der christliche Glaube nicht zwischen Häresien und Heidentum zerrieben wurde.

Mut vor Kaiserthronen …

Ambrosius zeigte aber auch bemerkenswerte Courage gegenüber der römischen Staatsmacht, sogar  bis zum Kaiser persönlich – und nicht nur wenn sich dieser in kirchliche Angelegenheiten einmischte. So verweigerte er einmal  dem Kaiser die Kommunion und zwang ihn zu öffentlicher Buße für ein Massaker kaiserlicher Truppen in Thessaloniki. Denn auch der Kaiser steht nicht über dem göttlichen Recht und darf sich nicht über die Gebote hinwegsetzen[8]. Ein bemerkenswerter Vorgang, der zeigt, wie stark zivilisierend und mildernd das Christentum auf die spätantike Gesellschaft einzuwirken begonnen hatte.

… und ein musischer Zug

Ambrosius war aber nicht nur ein mutiger Kirchenpolitiker, ein bedeutender Theologe und begnadeter Prediger. Er hat auch wichtige Grundlagen der Kirchenmusik gelegt. Der „ambrosianische“ Gesang hat vor und neben der Gregorianik entscheidend dazu beigetragen, dass die Musik in der christlichen Liturgie jenen hohen Rang einnimmt, der bis zum heutigen Tag eines ihrer globalen Alleinstellungsmerkmale ist. Auch das „Te Deum“, eines der ergreifendsten Stücke kirchlicher Musik überhaupt, wurde lange Zeit auf Ambrosius zurückgeführt. Jedenfalls wurzelt es in einer musikalischen Tradition[9], die ohne Ambrosius’ Wirken kaum jene begeisternde Höhe erreicht hätte. In seinem Beitrag zur Entstehung der Kirchenmusik ist uns Ambrosius heute noch immer nahe.

Lehren für die Gegenwart

Die Welt des Ambrosius im 4. Jh. scheint uns ansonsten sehr fremd und fern zu sein. Und doch gibt es frappierend ähnliche Herausforderungen, damals wie heute:

Auch heute gibt es Bestrebungen, die – ähnlich dem Arianismus im 4. Jahrhundert –  die göttliche Natur Jesu bestreiten und aus dem Christus quasi nur einen Propheten machen wollen. Auch heute wird die Kirche von Formen aggressiven Heidentums bedrängt. Und auch heute muss sich die Kirche vielerorts aller möglicher Zumutungen und Einmischungen des Staates erwehren.

Die Gestalt des Ambrosius erscheint vor diesem Hintergrund plötzlich erstaunlich aktuell. Und es ist beeindruckend und ermutigend zu sehen, was er alles mit Glaubenstreue und Selbstlosigkeit gegen scheinbar übermächtige Gegner erreichen konnte. In dieser Hinsicht ist er ein höchst relevantes und aktuelles Vorbild auch in der Gegenwart. Die Stadt Trier kann mehr denn je stolz sein auf ihren größten Sohn!


[1]Der Name weist die Stadt als kaiserliche Gründung im Gebiet des germanischen Stammes der Treverer aus. Neben „Augusta Treverorum“ gab es die Kurzform „Treveri“, woher die Namensform Trier kommt.

[2]In der Spätantike gab es im Römischen Reich zeitweise vier „Hauptstädte“; außer Rom waren das Trier , Konstantinopel und Sirmium.

[3]Deshalb ist er auch als „Ambrosius von Mailand“ bekannt. Er starb im Jahre 397. Ambrosius wird als Heiliger verehrt, und sein Gedenktag in der Katholischen Kirche ist der 7. Dezember.

[4]Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor der Große.

[5]Mit dem Edikt von Mailand von 313.

[6]Nach dem alexandrinischen Presbyter Arius benannte Bewegung, die die göttliche Natur Christi bestritt.

[7]Vgl. Beitrag zur Konstantinischen Wende: 
https://erziehungstrends.info/schwarze-legenden-die-konstantinische-wende

[8]Das ist fast so etwas wie christliche Menschenrechtspolitik avant la lettre: Kein Herrscher und keine Macht darf sich an unschuldigen Menschen vergreifen; wegen ihrer „Gottesebenbildlichkeit“ bzw. „Gotteskindschaft“.

[9]Der „ambrosianische Gesang“ stand lange Zeit auf gleicher Höhe wie der gregorianische und hat in Norditalien eine fast ungebrochene Tradition bis in unsere Zeit.