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Teenagern, die Zeit mit ihrer Familie verbrachten, ging es viel besser, als denen, die auf ihr Smartphone fixiert waren. Wie ging es Ihren Kindern bisher in der Pandemie? Wir haben zwar schon viele Anekdoten gehört, doch jetzt bekommen wir endlich Daten.
Jean Twenge ist führende Forscherin für Ängste und Depressionen bei Kindern und Teenagern. Sie startete mit ihren Kollegen eine repräsentative Studie mit 1523 Heranwachsenden zwischen Mai und Juli des vergangenen Jahres. Die kürzlich publizierten Ergebnisse sind erstaunlich.
Über viele Jahre haben die Gesundheitsbehörden immer wieder Untersuchungen bei amerikanischen Erwachsenen angestellt, um die Verbreitung von Ängsten und Depressionen zu bewerten. Als die Pandemie die USA im Frühjahr heimsuchte, entschied die Leitung der Behörde, diese Daten statt 1 bis 2-mal pro Jahr 2-mal pro Monat zu erheben.
2019 betrug der Anteil von Amerikanern mit depressiven Symptomen laut Gesundheits-behörden 6.5 %. In der am 23. November beendeten Studie mit 61.254 US-Bürgern ergab sich eine Prävalenz von 28.6 % , also mehr als das Vierfache des 2019 ermittelten Wertes.
Die Tabellen der Gesundheitsbehörde erlauben auch die Anteile bezogen auf das Lebensalter herauszufiltern. Diese weisen einen Trend aus: unter Erwachsenen reduzieren sich mit dem Alter die Risiken von Depressionen. Die jüngsten Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren hatten mit 43,4% erhebliche Depressionen im Beobachtungszeitraum, der am 23. November endete. Bei den über 80jährigen berichteten nur 18,2% von depressiven Symptomen.
Wie ging es den Heranwachsenden? Werden die Ergebnisse der Studie auf sie extrapoliert, müsste man erwarten, dass diese eine noch höhere Depressionsrate als die 43,4% junger Erwachsener aufweisen. Doch das konnten Twenge und ihre Kollegen nicht bestätigen. Sie fanden unter Heranwachsenden in der Pandemie nur 20% Depressive, weniger, als die 27% in der 2018 erstellten Studie.
Mit anderen Worten, Heranwachsende in der Pandemie waren weniger mit Symptomen einer Depression belastet, als die vergleichbare Gruppe von Probanden zwei Jahre vorher.
Was bedeutet das?
Die Wichtigkeit der Familie
Twenge und ihre Kollegen befragten Teenager, ob ihre Familienmitglieder sich während der Pandemie näher gekommen seien. Diese Frage beantworteten 68% der Befragten mit JA. Unter diesen gaben nur 15% an, deprimiert zu sein, während unter denen, die berichteten, ihre Familien seien sich nicht nähergekommen, 27% angaben, Depressionen zu empfinden.
Als praktischer Arzt konnte ich direkt sehen, ob Teens mit der Pandemie umgehen können, oder nicht. Ich kann in weniger als zwei Minuten feststellen, ob ein Junge oder Mädchen mit der Familie in Zeiten der Pandemie besser klar kommt, oder nicht. Einige sind gut drauf. Sie halten mit mir guten Augenkontakt in der Ordination. Sie lächeln. Sie mögen verletzt oder wirklich krank sein, weshalb sie mich aufgesucht haben, doch abgesehen davon sind sie mental gut dabei.
Andere sind übellaunig, zurückgezogen und verbittert. Diese sind, nach meiner Erfahrung immer solche, die ihrer Familie nicht nähergekommen sind. Ihre Eltern haben ihnen gestattet, sich in ihre Zimmer zurückzuziehen, ihre Mahlzeiten allein zu sich zu nehmen und viele Stunden am Tag vor der Glotze oder dem Smartphone zu hängen.
Vielleicht beherzigen solche Eltern ja die Empfehlungen der Erziehungsberater von New York Times, die zu Anfang der Pandemie den Eltern rieten, ihnen nur ja Bildschirmzeit zu erlauben, da Einschränkungen der Nutzungszeit ohnehin nicht befolgt würden. Diese mauligen Kinder scheinen ohnehin nur dann zufrieden, wenn sie in sozialen Medien unterwegs sind, oder Videogames spielen.
Diese Teens fühlen sich in erster Linie ihren Freunden gleichen Alters verbunden. Die Pandemie hat ihre Welt durcheinandergeschüttelt, da ihre Lieblingsbeschäftigung, mit ihren Freunden „abzuhängen“, durch das Virus stark beschnitten wurde. Es kommt durchaus vor, dass ein Kind während der ganzen Sprechstunde an seinem Smartphone hängt, wenn ich es nicht auffordere, das Gerät auszuschalten.
Schlaf ist wichtig
Ein anderes Thema ist der Schlaf. Immer mehr Heranwachsende gehen mit ihren Smartphones zu Bett. Nach der letzten nationalen Studie gehen 68% der Teenager mit ihrem Smartphone, seltener mit einem Tablet zu Bett, oder haben es beim Schlafen in Reichweite.
In dieser Studie berichten 58% der Jungen und 41% Mädchen, dass sie immer wieder auch nachts ihre Handys auf Nachrichten überprüfen. Doch dieses Prüfen hat Konsequenzen. In einer Meta-Studie über 20 Studien, mit insgesamt 121.072 Kindern und Teens fanden die Forscher heraus, dass diejenigen, die nachts ihre Handys nutzten, doppelt so häufig mit weniger Schlaf auskommen mussten. Diese waren dann etwa dreimal häufiger müde im Tagesverlauf, als Kinder, die kein Handy im Schlafzimmer hatten.
Ein weiteres Ergebnis der Meta-Studie war, dass es genügt, ein Smartphone im Zimmer zu haben, um im Schlaf gestört zu werden, selbst wenn es nicht benutzt wird. Kinder, die ihr Handy im Zimmer haben, es jedoch nachts nicht benutzen, waren fast doppelt so häufig tagsüber müde, als diejenigen, die kein Handy im Zimmer hatten. Das Unterbewusstsein weiß, dass das Handy da liegt und dass es aktiviert werden könnte wodurch letzten Endes der Schlaf gestört wird.
2018 berichteten nur 55% Teenager, sieben oder mehr Stunden pro Nacht zu schlafen. Das änderte sich im Lauf der Pandemie, wo diese Zahl auf 84% anstieg, wie Twenge berichtet. Da viele Schulen auf Fernunterricht setzten, schliefen die Schüler einfach länger. Twenge und ihre Kollegen glauben, dass der längere Schlaf der zweitwichtigste Faktor für weniger Depressionen unter Teens jetzt im Vergleich zu 2018 ist.
Führe deine Kinder nicht in Versuchung
Die Botschaft ist deutlich. Nutzen wir die Pandemie-Vorschriften zu sozialer Distanz als Hilfsmittel, die Familie enger zusammenzubringen. Zu Fremden sollte man Abstand wahren, aber mit der Familie kann man mehr gemeinsame Zeit verbringen, eine Wanderung unternehmen, Brettspiele oder ein gemeinsames Essen organisieren. Auf keinen Fall aber sollte man die Kinder mit ihren Smartphones in ihren Zimmern verschwinden lassen, egal, was die New York Times empfiehlt.
Und bestehen Sie darauf, dass ihr Kind ausreichend schläft. Das bedeutet: kein Handy im Schlafzimmer. Wenn ich mit Eltern zusammentreffe, empfehle ich ihnen, jeden Abend, spätesten um 21:00 Uhr die Handys der Kinder in Ladegeräte im Elternschafzimmer zu stecken.
Im Frageteil nach einer meiner Vorträge meldete sich ein Vater: „Dr Sax, ich stimme mit Ihnen vollkommen überein, dass Kinder einen gesunden Schlaf haben sollten“, sagte er, „aber ich glaube nicht, dass es Sinn macht, das Handy jeden Abend aus dem Schlafzimmer meiner Tochter zu entfernen. Sie nutzt das Handy als Wecker und schaltet es jeden Abend in den Flugzeug-Modus. Erst morgens, nachdem sie geweckt wurde, schaltet sie es wieder auf Normalbetrieb“.
„Wie können sie wissen, dass ihre Tochter das Handy die ganze Nacht über im Flugzeug-Modus belässt? Wie wollen sie wissen, dass sie es nicht irgendwann nachts auf Normalbetrieb umschaltet“, fragte ich.
Der Vater nahm mir meine Frage übel: „Dr. Sax, sie sagen also, dass meine Tochter mich belügt. Meine Tochter würde mich nie belügen. “
Ich antwortete ihm: „Mein Herr, ich kenne weder sie, noch ihre Tochter. Aber wenn ich mir die Studien anschaue, glaube ich, dass ihre Tochter sie eher belügt, als jemand anderen. Einfach deshalb, weil sie sie nicht enttäuschen möchte.“
Der Papa murmelte noch etwas…
„Im Vaterunser liegt große Weisheit“, fuhr ich fort. „Jesus sagte: Führe uns nicht in Versuchung; er sagte nicht: Mach uns stark genug, der Versuchung zu widerstehen, denn Jesus kennt das menschliche Herz. Er weiß, dass wir der Versuchung erliegen können. Deshalb legen sie ihrer Tochter keine Stolpersteine in den Weg“.
„Das ist jetzt ihre Aufgabe als Eltern“ wandte ich mich jetzt an die ganze Gruppe. „Es ist nicht recht, die Entscheidung, ein Handy im Schlafzimmer zu haben einer 15jährigen Tochter zu überlassen. Was soll sie am nächsten Tag ihrer Freundin antworten, wenn diese fragt: Ich habe Dir letzte Nacht ein SMS geschickt, warum hast Du nicht geantwortet? Soll sie etwa antworten: Ich schalte abends mein Handy aus und es bleibt über Nacht in einem anderen Zimmer, weil Forscher herausgefunden haben, dass Smartphones nahe am oder im Bett den Schlaf stören und Schlafstörungen einen besonderen Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen bei Heranwachsenden darstellen?“ Es ist absolut unrealistisch, von einem Teenager solche Antworten zu erwarten. Man muss einem Teen schon erlauben, zu sagen:
„Meine blöden Eltern nehmen mir abends um neun das Handy ab und geben es mir erst am Morgen zurück!“ Ihr müsst schon ab und zu bereit sein, die bösen Eltern zu spielen – um der Kinder willen.
Wir erwarten -hoffentlich bald- ein Ende der Pandemie. Es gibt ein paar gute Gewohnheiten, die wir uns hoffentlich angeeignet haben. Also, kein Handy im Schlafzimmer, ruhigen Schlaf und mehr Zeit mit der Familie
Wenn wir das erreichen, wenn wir letztendlich eine Stärkung der Familie während der Pandemie erreichen, sehen wir bestimmt den berühmten Silberstreifen am Horizont
Dieser Beitrag wurde mit Erlaubnis von The Public Discourse publiziert. Ins Deutsche übertragen von Horst Niederehe.