Früh übt sich…, was eine Leseratte werden soll! Die Besorgnis über die zunehmende Lesefaulheit der Kinder und Jugendlichen hat in den letzten Jahren eine Reihe von Leseförder-Initiativen ins Leben gerufen.

Inzwischen sind auch die Kinderärzte in eine Initiative mit eingebunden: sie sollen im Rahmen der Vorsorge-Untersuchung für die Einjährigen den Eltern ein kostenloses mehrteiliges Lesestartset überreichen, das die „Stiftung Lesen“ gemeinsam mit zahlreichen Sponsoren zur Verfügung stellt.

Denn Lesen ist nach wie vor eine unverzichtbare Schlüsselqualifikation der modernen Wissensgesellschaft. Viele Kinder werden aber heutzutage nicht mehr an das Lesen herangeführt. In zwei Drittel aller Familien mit Kindern bis zu zehn Jahren ist Vorlesen nicht mehr üblich. Bei Jugendlichen spricht man von einem sekundären Analphabetismus: 20 Prozent aller 15-jährigen Jugendlichen sind nicht mehr in der Lage, einen gedruckten Text zu verstehen.

Stiftung Lesen

Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten entwickelt und realisiert die Stiftung Lesen seit 1988 Projekte, um das Lesen innerhalb der Medienkultur zu stärken. Es handelt sich hierbei überwiegend um Schulkampagnen sowie Buchladen- und Bibliotheksaktionen, aber auch Forschungsprojekte rund ums Lesen werden gefördert.

Dem Stifterrat gehören neben einigen Bundesländern und der Stadt Mainz (hier hat die Stiftung ihren Sitz) verschiedene Zeitungs- und Buchverlage sowie einige mittelständische Betriebe an.

Bisherige Initiativen

Durch unterschiedliche Aktionen versucht die Stiftung Lesen konkrete Zielgruppen anzusprechen und zu fördern. Dabei schließt sie sich oft mit Partnern zusammen, denen das geplante Projekt besonders nahe liegt.

Zusammen mit dem Familienministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wird das Projekt „Lesen verbindet Generationen“ durchgeführt. Hier kann man sich in einem eintägigen Seminar zum „Vorlesepaten“ ausbilden lassen, um dann Menschen anderer Generationen vorzulesen. Bücher verleihen den Anliegen der Menschen verschiedener Altersstufen Ausdruck und so kann der Dialog zwischen den Generationen angeregt werden.

Die Aktion „Der schönste erste Satz“ wurde in Zusammenarbeit mit der Initiative Deutsche Sprache (Träger unter anderen das Goethe Institut) durchgeführt. Hier wurden Leser animiert, deutschsprachige Bücher zu benennen, bei denen gleich der erste Satz sie ganz besonders zum Weiterlesen angeregt und das hierdurch erwartete Lesevergnügen sich auch eingestellt hatte. Innerhalb eines halben Jahres wurden über 17.000 Lieblingssätze mit Begründung aus rund sechzig Ländern eingesandt.

Jährlich wird der Deutsche Vorlesepreis verliehen. Hier werden Vorleseinitiativen sowohl von Schulen, Sendern und Vereinen prämiert, als auch Einzelpersonen mit herausragendem ehrenamtlichem Engagement zur Leseförderung geehrt.

Zahlreichen kleineren und zum Teil auch schon länger bestehenden Leseförderinitiativen wird durch die Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen mehr Wirksamkeit verliehen. Als Beispiele seien genannt: Ausbildung und Ausstattung von Vorlesepaten für Kinderkliniken; Ideen und Material für Lehrer zur gezielten Leseförderung der Schüler in den einzelnen Jahrgangsstufen; Zusammenschluss mit dem umfangreichen Programm der Akademie für Leseförderung der Leibniz Bibliothek in Hannover (seit 2004); Anregungen für Firmen, die bereit sind, für Kitas Leseschatztruhen mit vorgegebener Ausstattung zu sponsern.

Initiative Lesestart

Der Kinder-und Jugendärzte-Verband ist inzwischen Teil der Lesestart-Allianz, die einige engagierte Mittelstandsunternehmen zusammen mit der Stiftung Lesen gegründet hat.

Hier geht es um Leseanregungen für Familien mit Kleinkindern. Die Kinderärzte übernehmen bei dieser Initiative die wichtige Rolle der Materialübergabe an die Eltern. Da sie als anerkannte Vermittler von Gesundheit und Wohlergehen für die Kinder gelten, verspricht man sich von ihrer Mithilfe eine hohe Erfolgsrate der Initiative.

Durch diese Initiative wird seit Sommer 2008 erreicht, dass die Kinderärzte im Rahmen der U 6 Vorsorge-Untersuchung (das ist die Vorsorge-Untersuchung am Ende des ersten Lebensjahres) den Eltern ein kostenloses Leseset überreichen. Dieses enthält unter anderem ein Ravensburger Bilderbuch, einen “ABC des Lesens“- Ratgeber für Eltern, ein Poster und ein kleines Tagebuch, um darin die Sprach- und Leseentwicklung des Kindes festzuhalten.

Insgesamt ist an 500.000 einjährige Kinder ein solches Set ausgeteilt worden. Immerhin werden die Vorsorgeuntersuchungen für Kleinkinder von 95% der Eltern wahrgenommen. So erwartet man von dieser Initiative, dass das Lesen auch in bildungsfernen Milieus wieder populär wird.

Natürlich können die Einjährigen noch gar nicht lesen

Natürlich können die Einjährigen noch gar nicht lesen, sie sollen aber die Bücher erst einmal mit allen Sinnen wahrnehmen: sie fühlen, riechen, schmecken und be-greifen.

Hierzu kann man bereits heute “Bücher ab 3 Monate“ erwerben. Diese sind aus weichem mit bunten Applikationen versehenem Material, einige Seiten knistern leise beim Beknuddeln und sie haben eine Schnur, um sie am Bettchen oder Kinderwagen in Augen- und Greifhöhe des Babys aufzuhängen.

Ob die bereits in der Wiege mit solch intellektuellem Spielzeug versorgten Kinder später wirklich regelmäßig lesen, hängt vor allem von der Bereitschaft ihrer Eltern (oder Großeltern) ab, von klein auf mit ihnen Bilderbücher anzusehen und daraus vorzulesen.
Diese Bereitschaft sollen auch die Kinderärzte wecken und fördern, indem sie immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig Bücher für die Sprach- und damit auch Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sind.

Vorbild für diese Initiative ist das Projekt „Bookstart“ in England, das bereits seit 1992 landesweit Kinder bis zu vier Jahren mit kostenlosem Büchermaterial versorgt. Auch dort übernehmen private und kommunale Träger Kosten und Verteilung.

Familien mit einem Neugeborenen können sich also schon auf das Lesestartset freuen, das sie im Rahmen der U 6 vom Kinderarzt überreicht bekommen.

Bleibt zu hoffen, dass das Aufwachsen mit Knuddelbuch in der Windelhose tatsächlich den Durchbruch bei späteren Pisa-Studien in unserem Lande bringen wird.