Gelungene Animation, gut gezeichnete Charaktere und tiefgründige Themen: „Einmal Mond und zurück„
Eine der sich über die Jahre hartnäckig haltenden Verschwörungstheorien behauptet, die „Apollo“-Mondlandungen in den Jahren 1969–1972 hätten eigentlich nicht stattgefunden. Sie seien vielmehr in einem Hollywood-Studio inszeniert worden. Gegen Verschwörungstheorien ist zwar kein Kraut gewachsen. Wenigstens können sie jedoch den Ausgangspunkt für einen Spielfilm liefern, etwa für den spanischen Animationsfilm „Einmal Mond und zurück“. Darin behauptet Multimilliardär Richard Carson genau das: Die bisherigen Mondlandungen seien Fälschungen gewesen – dafür lässt der Geschäftsmann sogar einen solchen Film drehen, der seine Theorie stützen soll.
Nun möchte der steinreiche Fiesling eine eigene Mondmission starten, angeblich um einen alten Wunsch seines verstorbenen Vaters zu erfüllen. Natürlich stecken in Wirklichkeit indes handfeste Interessen dahinter. Denn Carson möchte tatsächlich auf dem Erdtrabanten wertvolle Rohstoffe abbauen, die ihm bei der Energieversorgung ein gewinnträchtiges Monopol und damit einen noch größeren Reichtum bescheren sollen. Dafür hat er eine hochmoderne Rakete entwickeln lassen, mit der Carson selbst zum Mond fliegen und dort die seit 1969 stehende US-amerikanische gegen seine eigene Firmen-Flagge austauschen will.
Die Präsidentin der Vereinigten Staaten kann dies selbstverständlich nicht zulassen. Ihre Berater lassen das Weltraumprogramm, das vor Jahren aufs Eis gelegt wurde, wieder aktivieren. Weil aber die neuen NASA-Astronauten die alte Technik nicht mehr beherrschen, sollen sie von den inzwischen ergrauten Apollo-Mission-Teilnehmern aus den Jahren 1969-1972 trainiert werden. Ziel der Mondfahrt: Die von Neil Armstrong auf dem Mond am 21. Juli 1969 gepflanzte Flagge sicherstellen, ehe Richard Carson sie sich unter den Nagel reißt.
Damit kommen die eigentlichen Protagonisten von Enrique Gatos Animationsfilm „Einmal Mond und zurück“ ins Spiel: die Familie Goldwing. Großvater Frank Goldwing sollte im Sommer 1969 zusammen mit Buzz Aldrin und Neil Armstrong zur Apollo 11-Crew gehören. Als aber sein damals kleiner Sohn krank wurde, entschied sich Frank dafür, die Mission abzusagen und bei Scott zu bleiben.
Das machte Frank aber so sehr zu schaffen, dass seitdem Vater und Sohn kaum ein Wort miteinander gesprochen haben, sehr zum Verdruss von Scotts Sohn, dem 12-jährigen Mike, der alles tun würde, damit sich Opa und Vater miteinander versöhnen. Vielleicht ergibt sich jetzt eine Möglichkeit, da Mikes Opa Frank zu den NASA-Veteranen gehört, die die jetzigen Astronauten anleiten sollen, unter denen sich auch Mikes Vater Scott befindet. Als Mike, seine Freundin Amy und sein Freund Marty von den Plänen des Milliardären Wind bekommen, beschließen sie, sich persönlich einzuschalten.
Zwar hört sich das Drehbuch von Jordi Gasull, Javier Barreira und Neil Landau etwas skurril an. Für die Glaubwürdigkeit der technischen Details sorgten aber zwei Berater, der US-amerikanische Astronaut und Apollo 12-Teilnehmer Alan Bean, der im November 1969 als vierter Mensch den Mond betrat, sowie der in Spanien geborene Astronaut Miguel López-Alegría, der mit drei Shuttle-Missionen STS zur Internationalen Raumstation ISS reiste.
Für das Gelingen von „Einmal Mond und zurück“ ist freilich wichtiger, dass die Animation dem State of the Art der großen Studios aus den Vereinigten Staaten in kaum etwas nachsteht. Die Figuren haben sehr ausdrucksstarke Gesichter, insbesondere an den Mund- und Augenpartien. Ähnlich den besseren „Pixar“-Animationsfilmen wird aber über die visuellen Werte hinaus vor allem in die Charakterzeichnung investiert. Regisseur Enrique Gato gelingt es, den richtigen Rhythmus für den Film zu finden.
Zwar beginnt „Einmal Mond und zurück“ mit einer atemberaubend schnellen Kitesurfing-Sequenz, bei der Mike und seine Freunde gegen eine andere Mannschaft im „Fahnenklau“ antritt – daher der Original- („Atrapa la bandera“) und der internationale Filmtitel „Capture The Flag“, der wiederum auf das Wettrennen zum Mond anspielt, bei dem es ebenfalls um einen „Fahnenklau“ geht. Bald konzentriert sich Gatos Film aber auf den zentralen Familienkonflikt. Actiongeladene Szenen wechseln sich mit ruhigen Momenten ab.
Vielleicht mangelt es den Charakteren von „Einmal Mond und zurück“ etwas an der Selbstironie, die zu den besseren Pixar-Filmen gehört und deren Figuren gerade für Erwachsene interessant macht. Dennoch: Insbesondere die drei kindlichen Hauptfiguren sind detailreich gezeichnet. So ist Amy nicht nur weibliches Beiwerk, sondern besitzt ihre eigene Persönlichkeit. Und trotz einer gewissen klischeehaften Darstellung des dicklichen Technik-Nerds erhält auch Marty Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen.
Bereits 2009 erreichte ein spanischer Animationsfilm internationale Ausstrahlung: „Planet 51“ (DT vom 13.04.2010) konnte zwar animationstechnisch mit den großen Animationsstudios, etwa „Pixar“ oder „DreamWorks“, mithalten. Die Story von „Planet 51“ war jedoch über weite Strecken kaum mehr als eine Ansammlung von Zitaten aus bekannten Science-Fiction-Filmen, die hauptsächlich an „E.T.“ erinnert – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. „Einmal Mond und zurück“ zitiert genreüblich frühere Filme, widersetzt sich aber der Versuchung, eine Ansammlung von Zitaten oder eine Parodie abzuliefern. Die Filmemacher haben eine eigenständige Handlung entwickelt, die Abenteuer- und Actionelemente mit tiefgründigen Fragen, der Versöhnung in der Familie und dem Wert der Erfahrung älterer Menschen, verknüpft.
Zusammen mit seinem Großvater, dem Astronauten-Veteranen Frank Goldwing, fährt der 12-jährige Mike (links) mit Hilfe seiner Freundin Amy (rechts) zum Mond. Ihre Mission: Die US-Flagge, die Armstrong 1969 pflanzte, sicherzustellen.
Bild: Paramount