Die Corona-Krise offenbart, wie weit die Vereinsamung und Atomisierung in unserer Gesellschaft fortgeschritten ist. Gleichzeitig ist aber die Sehnsucht nach Kontakt mit anderen, nach Begegnung in der wirklichen Welt, nach Beisammensein lebendig wie nie.

Jetzt spürt jeder, wie erfüllend, wie hilfreich und wie nötig es für jeden Menschen als soziales Wesen ist, Freunde zu haben. Es ist ein guter Moment, um darüber nachzudenken, wie man Freunde gewinnt,  ja wie man schon Kinder zur Freundschaft befähigen kann.

Freunde kann man sich nicht kaufen

Für alle Menschen, besonders aber für Jugendliche gehört es zum Wichtigsten, gute Freunde zu haben. Meist kommt das Wort aber nur in der Einzahl vor, weil sich viele Menschen mit der Freundschaftsfähigkeit schwer tun. Woran liegt das?

Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennenzulernen. Sie kaufen alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. So erklärt der Fuchs in dem Märchen von Saint-Exupéry dem „kleinen Prinzen“ die Krise der Freundschaft. Freunde kann man nicht mit der Münze kaufen, für die in unserer Gesellschaft sonst alles zu haben ist.

In den germanischen Sprachen hat das Wort Freund dieselbe Wurzel wie das Wort Liebe. Auch im Lateinischen hängen amicus (Freund) und amare (lieben) eng zusammen. Schon bei den Griechen und Römern wird Freundschaft in einem Atemzug mit Wohlwollen und Liebe genannt. Und für Christen ist Freundschaft vollends eine Form der Liebe. „Ich habe euch Freunde genannt“, so spricht Jesus seine Jünger an, von denen man nachher sagte: „Seht, wie sie einander lieben.“

Freundschaft als Form der Liebe

Freundschaft hat also mit Liebe zu tun; sie ist viel mehr als sich gut kennen, etwas Gemeinsames unternehmen, gleiche Interessen haben oder als „Kumpanei“. Nicht nur etwas von dem anderen, sondern der andere selbst steht im Mittelpunkt: Die Person, so wie sie ist, nicht was sie hat. Und Personen kann man nicht kaufen, da hat der Fuchs recht. Sie können sich nur verschenken, ihr Wohlwollen, ihre Zuneigung, ihre Liebe.

In kinderreichen Familien lernt man das am leichtesten: mit den Geschwistern teilen, auf ihre Wünsche eingehen, die eigenen Ansprüche zurückschrauben, den anderen helfen, Aufgaben übernehmen, im Alltag einüben, die eigene Person zurückzunehmen. Kinder, die in einer solchen Atmosphäre aufwachsen, haben einen großen „Freundschaftsvorteil“. Andere müssen es sich mühsamer erkämpfen.

Freundschaft lernen

Jugendlichen wieder beizubringen, dass man etwas dafür tun kann, Freunde zu gewinnen, ist ein „unbekanntes“ aber wichtiges Erziehungsziel, will man nicht in späteren Jahren an der Einsamkeit leiden. Freunde bekommt man nur geschenkt, wenn man sich selbst verschenkt, wenn man sich öffnet für den anderen, Anteil nimmt an seinem Geschick, wenn man Vertrauen riskiert. 

Wie könnten junge Menschen in der Familie und in der Schule durch ein „Freundschaftsklima“ stärker befähigt werden, gute Freunde zu sein und gute Freunde zu finden? 

Es lohnt aber auch für jeden Erwachsenen, gerade in der jetzigen Situation darüber nachzudenken, wer sind wirklich meine Freunde und wie könnte ich mehr Freunde gewinnen. Liegt es vielleicht an mir? Stelle ich mich zu wenig auf den anderen ein? Gehe ich zu sehr meine eigenen Wege und bin ich zu wenig offen für andere? Jede Krise hält Chancen bereit, vielleicht auch die große Chance freundschaftsfähiger zu werden.