(Foto: Amazon Prime Video)

Filmische Qualität:   4 / 5
Regie:Andrew Patterson
Darsteller:Sierra McCormick, Jake Horowitz, Gail Cronauer, Bruce Davis, Cheyenne Barton, Mark Banik, Gregory Peyton
Land, Jahr:USA 2019
Laufzeit:89 Minuten
Genre:
Publikum:ab 12 Jahren
Einschränkungen:
im Kino:6/2020

Die Angst vor Außerirdischen gehört zu den am meisten verbreiteten Motiven von Science-Fiction-Literatur und -Film. Berühmt-berüchtigt ist etwa die Wirkung einer Radiosendung aus dem Jahre 1938, in der Orson Welles „Krieg der Welten“ von H.G. Wells adaptierte. Weil Orson Welles die Sendung als eine Art Reportage gestaltete, brach Panik in der Bevölkerung aus, die an eine echte Aliens-Invasion glaubte. Erst die Filme von Steven Spielberg „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (1977) und vor allem „E.T. – Der Außerirdische“ (1982) schufen menschenfreundliche Aliens. Dass Spielberg auch H.G. Wells? Werk später adaptierte – „Krieg der Welten“ – hat allerdings damit zu tun, dass er auf diese Art und Weise das „Gefühl der Bedrohung“ nach dem 11. September verarbeiten wollte.

In der Gedankenwelt der latenten Bedrohung durch Außerirdische, wenn auch mit einer anderen Tonart als die üblichen Alien-Actionfilme, ist die Amazon-Eigenproduktion „Die Weite der Nacht“ („The Vast of Night“) von Andrew Patterson angesiedelt. 

Die Handlung des Filmes spielt sich in einer einzigen Nacht der 1950er Jahre in der Kleinstadt Cayuga in New Mexiko ab. Während sich so gut wie die gesamte Stadt in der Turnhalle anlässlich eines Basketballspiels versammelt, arbeitet der junge, selbstbewusste Radiomoderator Everett (Jake Horowitz) im Sender. Zu ihm gesellt sich die 16-jährige, wissbegierige Schülerin Fay Crocker (Sierra McCormick), die als Telefonistin jobbt, und ein außerordentliches Interesse für technische Erfindungen an den Tag legt, von denen etliche heute realisiert sind.

Die zwei Außenseiter – er träumt von einer Karriere bei einem großen Radiosender, sie von einem Leben als Wissenschaftlerin – gehen den mysteriösen Geräuschen nach, die plötzlich Everetts Sendung stören. Dafür erhalten sie Hinweise von Zuhörern, die sie auf beunruhigende Art ahnen lassen, dass dies eine entscheidende Nacht in ihrem Leben sein wird.

Nicht so sehr das, was Regie-Debütant Andrew Patterson erzählt, ist außergewöhnlich an „Die Weite der Nacht“. Als bemerkenswert nimmt sich vor allem aus, wie Patterson dafür über den für die 1950er Jahre angemessenen Retro-Stil samt grobkörnigen Bildern und Mystery-Musik hinaus eine besondere Atmosphäre schafft. Das beginnt bereits in der ersten Einstellung des Filmes: In einer überdeutlichen Hommage an „The Twilight Zone“ – die US-amerikanische Mystery- und Science-Fiction-Fernsehserie mit dem Untertitel „Unwahrscheinliche Geschichten, Unbekannte Dimensionen“, die 1959 begann und mit Unterbrechungen bis heute weitergeführt wird – zeigt ein altes Fernsehgerät die fiktive Sendung „Paradox Theater“ mit der Aufschrift: „Heute: Die Weite der Nacht“. Dadurch schafft Patterson nicht nur einen Rahmen, sondern auch den berühmten V-Effekt für seine Erzählung.

Dazu führt Andrew Patterson aus: „Ich wollte signalisieren, dass wir eine bekannte Geschichte erzählen. Eine, die Sie wahrscheinlich schon einmal gesehen haben. Aber wir werden so einfallsreich und frisch und intelligent sein, wie es die Geschichte erlaubt, und die Geschichte hoffentlich auf eine andere Art und Weise erzählen.“

Das gelingt ihm auf für ein Spielfilmdebüt beeindruckende Weise: Außergewöhnliche Kamerafahrten, das immer wieder Innehalten, um lebensechte Dialoge einzuführen, ein herausragendes Sound Design, die teilweise unheimliche Musik schaffen eine Stimmung, in der eine diffuse Furcht vor dem Unbekannten bis hin zu Verschwörungstheorien herrscht – „Area 51“ lässt grüßen. Nicht nur äußerlich ist „Die Weite der Nacht“ ein in bestem Sinn „altmodischer“ Film. Hier lebt das klassische Science-Fiction-Genre wieder auf.

„Die Weite der Nacht“, USA 2019. Regie: Andrew Patterson, 89 Min. auf Amazon Prime Video.