(Foto: Square One) 

Filmische Qualität:   4 / 5
Regie:Marcus H. Rosenmüller
Darsteller:David Kross, Freya Mavor, John Henshaw, Dave Johns, Harry Melling, Gary Lewis
Land, Jahr:Deutschland 2018
Laufzeit:120 Minuten
Genre:
Publikum:ab 12 Jahren
Einschränkungen:
im Kino:3/2019
Auf DVD:9/2019

Wenn der Satz nicht so abgedroschen wäre, könnte man beim Spielfilm „Trautmann“ wieder einmal feststellen, dass das Leben die besten Drehbücher schreibt. Jedenfalls scheint es schier unglaublich, dass bei einem solch außergewöhnlichen Leben bislang kein Spielfilm über Bernhard „Bert“ Trautmann gedreht worden war. 

Nun liefern Marcus H. Rosenmüller und sein Drehbuch-Mitautor Nicholas Schofield den Spielfilm „Trautmann“ über den deutschen Fußballspieler Bert Trautmann (1923-2013), der insbesondere als Torwart von Manchester City nicht nur weltbekannt, sondern im Jahr 2007 von den Fans des englischen Fußballclubs zum „besten Manchester-City-Spieler aller Zeiten“ gewählt wurde. 

Rosenmüllers Film beginnt 1944, als der deutsche Soldat Bernd Trautmann in britische Kriegsgefangenschaft gerät, und in einem Gefangenenlager in der Nähe des Städtchens St. Helen inhaftiert wird. Bereits hier zeigt sich Trautmann als ein hervorragender Torwart. Jack Friar (John Henshaw), der Trainer des Provinzclubs St. Helen, wird auf ihn aufmerksam, und engagiert ihn für seinen Verein.

Zunächst begegnen ihm die anderen Spieler misstrauisch, aber bald hat er sich einen Stammplatz im Verein gesichert. „Bert“, wie er nun genannt wird, verliebt sich in Margaret (Freya Mavor), die hübsche Tochter seines Trainers. Als nach Kriegsende Talentsucher vom Premier League-Erfolgsverein Manchester City Bert Trautmann entdecken, löst die Verpflichtung des deutschen „Nazi-Torwarts“ unter den Fans eine große Entrüstung aus. Erst ein Artikel von Rabbi Altmann glättet die Wellen.

Beim legendären FA Cup-Final 1956 sichert Bernd seiner Mannschaft vor 100 000 Besuchern im Londoner Wembley-Stadion, den Sieg. Was während des Spiels niemand ahnt: Trautmann spielt die letzten 20 Minuten mit einem gebrochenen Halswirbel! Als die Öffentlichkeit davon erfährt, wird der deutsche Torwart in ganz England als Held gefeiert. Zur gleichen Zeit ereilt ihn jedoch ein tragischer Schicksalsschlag, der sein Leben auf den Kopf stellen sollte.

Marcus H. Rosenmüller erzählt zwar einen Teil von Trautmanns Biografie und insbesondere auch seine Liebesgeschichte. Das besondere Augenmerk legt der Regisseur vor allem aber auf die Versöhnung zwischen den ehemaligen Feinden, wofür Bert Trautmann besonders steht.

Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Marcus H. Rosenmüller

Herr Rosenmüller, wie haben Sie von Bernd Trautmann erfahren?

Mein Produzent Robert Marciniak kam mit dieser Geschichte zu mir. Er hatte den Torwart Petr Cech bei der Europameisterschaft gesehen, der eine Kopfverletzung hatte. Da fiel ihm Trautmanns Geschichte, sein Genickbruch beim FA-Finale 1956 wieder ein, die ihm sein Vater erzählt hatte. Wir fanden, es sei ein toller Stoff für einen Kinofilm.

Was sind die wichtigsten Aspekte an Trautmanns Geschichte, die Sie in einem Film erzählen wollten?

Der Unfall im Wembley-Stadion war zwar ein Aufhänger. Viel interessanter war es aber, dass gegen ihn demonstriert wurde, und dass er es geschafft hat, die Herzen zu erobern. Das Hauptthema im Film ist deshalb, was Versöhnung ausmacht, dass es möglich ist, sich zu versöhnen. Dass man eine neue Heimat, eine Familie finden kann.

Der Film soll auch zum Nachdenken darüber anregen, dass man sich glücklich schätzen soll, in einer Demokratie aufzuwachsen, wo man nicht vor die Entscheidung gestellt wird, entweder mache ich mit, oder ich werde erschossen, wo man nicht sagen kann: „Ich hatte keine andere Wahl“. Ich habe noch andere ehemalige Kriegsgefangene interviewt, die im Gefangenenlager in England waren. Sie waren doch glücklich, dass sie da gelandet sind, weil sie dort erstmals Demokratie kennengelernt haben. Denn sie hatten vorher keine Berührung damit.

Können Sie das etwas näher in Bezug auf Trautmann ausführen?

Er ist gleich in die HJ hineingerutscht, und er fand es dort toll. Sie sind in Zeltlager gefahren, da war Kameradschaft … Lauter positive Dinge. Aber du kapierst nicht, dass du Teil eines Unrechtsregimes bist, dass du einer Gehirnwäsche unterzogen wirst, und plötzlich stehst du an der Front im Krieg, und kommst nicht mehr raus, und merkst, dass du mitschuldig bist, weil du nicht eingegriffen hast, weil du Mitläufer warst … Trautmann hat das begriffen, und er hat sich geändert. Später stand er ein für Völkerverständigung und Versöhnung zwischen den Nationen. Da sehe ich Trautmann als ein Symbol für Versöhnung.

In dem Zusammenhang war der Zeitungsartikel des Rabbi Altmann ganz wichtig. Brachte er die Wende in der Wahrnehmung Trautmanns durch die Fans?

Auf jeden Fall. Man muss sich das vorstellen: Rabbi Altmann musste aus Deutschland fliehen, und er konnte vergeben, hat nicht pauschal verurteilt. Sein Brief ist großartig. Die Deutschen haben sich eigentlich nie entschuldigt. Nun ja, später Willy Brandt. Aber direkt nach dem Krieg herrschte Schweigen. Keiner wusste vom andern. Selbst Trautmann weiß nicht von seinem Freund, der aufgehängt wird. Denn alle haben geschwiegen.

Wie authentisch ist Ihr Film?

Ich habe vor acht Jahren Trautmann in Valencia interviewt. Alle Geschichten im Film sind aus diesen Interviews zusammengebaut. Das mit dem erschossenen Kind in der Ukraine ist nicht genau so gewesen, aber es gab eine Geschichte, warum das so ist. Bernd Trautmann war damals fast neunzig, aber er war ein sehr höflicher Mensch. Das Interessante dabei: Er war auch Teil einer Bewegung. Deshalb stellt man sich auch die Frage: Ist er schuldig oder nicht schuldig gewesen? Das haben wir auch in die Ästhetik des Filmes umgesetzt. Wir haben häufig im Rahmen oder durch Reflexionen gedreht: betrachten, anschauen, sehen, etwas in einen Rahmen setzen. Der Zuschauer sieht kein ganzes Bild, sondern nur einen Teil seines Charakters, nicht die ganze Figur. Es ist nur unser Ausschnitt.

Apropos Ästhetik: Wie haben Sie die Spielzüge bei den Fußballspielen nachgestellt?

Beim Wembley-Spiel sind die Tore genauso, wie sie gefallen sind. Mein alter Fußballtrainer hat sie einstudiert. Er wusste, ob der Ball mit dem Innen- oder mit dem Außenriss nach außen oder nach innen geschossen wurde. So fiel das erste Tor eben nach einer Vorlage mit der Hacke. Alles ist authentisch, natürlich auch die Verletzung. Für die Spiele in Manchester gab es keine Bilder, aber wir haben uns danach gerichtet, wie damals gespielt wurde. Es war ja ein anderer Fußball.