Bild: Westfenster St. Mariä Himmelfahrt in Köthen – von Michael Triegel – Mariä Himmelfahrt und Krönung
Im Dom und Museum St. Peter und Paul in Brandenburg an der Havel ist eine beeindruckende Ausstellung über Maria zu sehen. Die „Jahresausstellung 2025“[1] trägt den Titel „Mythos Maria“ und präsentiert mit fundierten und ansprechenden Erläuterungen zahlreiche schöne Exponate, die belegen, dass die Stadt Brandenburg „ein herausgehobener Ort der mittelalterlichen Marienverehrung“[2] war.
Dazu werden aber auch lebendige Bezüge zu unserer Zeit hergestellt, soweit „marianische“ Aspekte in Kunst oder Musik eine Rolle spielen, sogar im Musical „West Side Story“. Das alles in und um einen Dom, der seit den Zeiten der Reformation protestantisch ist. In den einfühlsamen Texten des Katalogs ist zu spüren, dass es bei Maria nicht nur um eine neutrale, wissenschaftlich distanzierte Bestandsaufnahme gehen kann. Diese besondere Ausstrahlung der Mutter Jesu lässt einfach niemanden unberührt, der sich einmal unbefangen auf sie einlässt.
Jenseits der Kunstgeschichte
Mariendarstellungen gehören zu den ältesten Zeugnissen christlicher Kunst, man findet sie schon in den römischen Katakomben, und sie zählen zu den zwei, drei wichtigsten Motiven christlicher Ikonographie überhaupt. Es ist ein gutes Zeichen ökumenischer Gemeinsamkeit, dass Maria auch bei evangelischen Christen wieder Interesse und Zuwendung erfährt. Sind überkommene konfessionelle Hürden einmal überwunden, dann wird das, was aus der Distanz noch mythisch und rätselhaft erscheint, bei näherer Betrachtung ganz konkret und persönlich. Denn die Gestalt dieser wunderbaren Frau vermittelt etwas, das über Kunst und Tradition weit hinaus reicht und Menschen aller Zeiten und Kulturen anrührt: Heiligkeit.
Dass die Mutter Jesu auf eine spirituelle Weise auch unsere Mutter[3] ist, war für die frühen Christen ein ganz natürlicher Schluss, und das hat Gläubige aller Völker und Kulturen durch die Jahrhunderte begleitet. Dabei ging es nie um eine „Anbetung“[4] Mariens, sondern ausschließlich darum, dass Maria uns zu Christus führt und dass sie unsere Fürsprecherin ist – wie schon im Neuen Testament!
Das biblische Zeugnis
Maria tritt im Neuen Testament scheinbar nur im Hintergrund auf, von ihr sind nicht viele Worte überliefert. Die aber haben es in sich! Betrachtet man sie der Reihe nach, dann enthüllt sich ganz von selbst, was die Kirche über Maria lehrt: Sie ist die demütige Magd des Herrn (Lk. 1, 38), die vom Heiligen Geist Begnadete (Lk. 1, 46 ff), die fürsorgliche Mutter (Lk. 2, 41 ff), aber auch die verständnisvolle und liebevolle Fürsprecherin (Joh. 2, 5). Jenseits aller Worte ist es aber vor allem ihre Präsenz an der Seite Jesu, bis hin zum Kreuz (als die meisten Jünger schon die Flucht ergriffen hatten), was auf ihre Rolle für die Kirche und für alle Menschen vorausweist.
Eine missionarische Frau
Es ist ein ganz nüchterner Befund, der gar keine Marienfrömmigkeit voraussetzt, sondern als historisches Faktum feststellbar ist, dass unzählige Menschen seit jeher durch Maria zu Christus finden. Ein besonders dramatisches Beispiel ist die Missionierung Mexikos im 16. Jahrhundert. Nach der Eroberung durch die Spanier war die Bevölkerung zunächst wenig geneigt, die Religion der Sieger anzunehmen; die Mission stagnierte und drohte zu scheitern. Zu groß war das Misstrauen der Menschen gegenüber den Fremden. Der entscheidende Wendepunkt war die Erscheinung der Gottesmutter in Guadalupe. Die Gestalt der fürsorglichen Mutter und warmherzigen Fürsprecherin überwand schließlich die Hindernisse, die das unchristliche Verhalten weltlicher Herrscher aufgerichtet hatte. Es waren letztlich nicht große Gelehrte und weise Theologen, sondern einfache Gläubige, die auf diesem Weg über Maria zum christlichen Glauben fanden und ihn freudig weitergaben.
Es ist im übrigen ein typisches Merkmal von Marienwallfahrtsorten, dass sie im besten Sinne „inklusiv“ und friedensfördernd wirken. Außerdem ist Maria auch eine gute Ratgeberin im interreligiösen Dialog. Für Muslime kann Maria, die ja auch im Islam hoch geehrt wird, den Weg zu Jesus ebnen. Beispiele dafür ließen sich vermutlich leicht finden, auch wenn sie aus verständlichen Gründen wenig publik gemacht werden.
Lob der Mütterlichkeit
Mütterlichkeit steht in unseren Gesellschaften nicht mehr in hohem Ansehen. Das bloße Wort weckt zuweilen schon Missbilligung. Hausfrauen und Mütter, wie Maria eine war, gelten dem politischen Mainstream bestenfalls als Auslaufmodelle einer überwundenen Epoche. Es ist kein Zufall, dass daraus u.a. demographischer Niedergang und eine zunehmende Gefühlskälte gegenüber Ungeborenen erwachsen. Dabei belegen Umfragen unter jungen Frauen: Eine Mehrheit sehnt sich eigentlich nach Familie und Muttersein, empfindet Mütterlichkeit als einen Segen und nicht als Last.
Dass es so viele „marianische“ Gebete[5] und Frömmigkeitsübungen gibt, ist Zeichen einer großartigen Menschheitserfahrung. Die Furcht, dass dadurch dem wahren Kultus Abbruch getan werden könnte, ist gänzlich unbegründet: so unbegründet wie die Annahme, eine Mutter, die ihre Kinder das Beten lehrt, trete dadurch unbillig hervor oder setze sich gar an die Stelle Gottes.
Zeit zum Neuanfang mit Maria
Jenseits aller historischen und theologischen Erwägungen ist Maria für die einzelnen Gläubigen als persönliche Bezugsperson ein wahres Gottesgeschenk[6]. Gehen wir ruhig einmal eine Wette ein: Wer sich – frei nach dem Rat des Blaise Pascal[7] – darauf einlässt, regelmäßig z.B. den Rosenkranz oder ein anderes marianisches Gebet zu beten, hat beste Chancen, dass diese wunderbar meditative Übung[8] nicht ins Leere geht. Sprechen wir wieder darüber! Oder gehen wir am besten mit gutem Beispiel voran!
Es gibt im Jahresverlauf etliche schöne Marienfeiertage. Ein ganz besonderer darunter ist das Hochfest Mariae Himmelfahrt[9] am 15. August. Da geht es letztlich um jenen geheimnisvollen Übergang vom irdischen Leben der Mutter Jesu zum vollständigen Offenbarwerden ihrer Rolle als Gottesmutter. Dieses Fest sollten wir nicht mit betretenem Schweigen übergehen, weil es uns irgendwie nicht in die Zeit zu passen scheint. Vielmehr können wir uns ohne Bedenken, ja sogar mit Begeisterung darauf einlassen, zeigt es uns doch, was es bedeutet, dass die selige Jungfrau und Gottesmutter Maria in den Himmel aufgenommen wurde. Wie sonst könnte sie eine so herausragende Rolle als Fürsprecherin für uns spielen?
[1]Im Dom und Dommuseum St. Peter und Paul zu Brandenburg; 1. Mai bis 31. Oktober 2025. Dazu gibt es einen sehr lesenswerten kleinen Katalog.
[2]Katalog Mythos Maria. Domstift Brandenburg 2025. S. 6.
[3]Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 967 ff.
[4]Anbetung gebührt selbstverständlich nur dem dreieinigen Gott. Katechismus der Katholischen Kirche, u.a. Nr. 2095 ff. Vgl. a. https://opusdei.org/de-de/article/das-mysterium-des-dreifaltigen-gottes/
[5]Vgl.: Geborgen in Gott. Tag- und Nachtgebete. Köln 1985. S. 92 ff.
[6]Aus der reichen Literatur zu Maria ist u.a. empfehlenswert: Raniero Cantalamessa: Maria. Ein Spiegel für die Kirche. Köln 1994.
[7]In Kurzfassung läuft die „Wette“ Pascals darauf hinaus, es doch einfach einmal mit dem Glauben zu versuchen: Er erläuterte einem atheistischen Freund, dass er absolut nichts zu verlieren habe, wenn er sich auf Gott und den Glauben einlasse, er könne dabei nur gewinnen.
[8]Vgl. die Serie: https://erziehungstrends.info/der-rosenkranz-1
[9]Dazu vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 966.
