Die dunkle Jahreszeit – und zum Teil auch düstere Aussichten in Politik und Alltag – wecken in uns das Bedürfnis nach spiritueller Vergewisserung, nach Ermutigung und der Erkenntnis, dass wir nicht allein sind. Aus dem reichen Erfahrungsschatz christlicher Glaubenspraxis bietet sich da eines ganz besonders an: Das Rosenkranzgebet. Es lohnt sich sehr, diese Perle christlicher Spiritualität wieder neu zu entdecken! Besonders beim gemeinschaftlichen Rosenkranzgebet, oder wenn man sich an diese schöne praxis pietatis erst noch gewöhnen muss, ist ein passendes Andachtsbüchlein eine gute Hilfe[1].

Von den vier weltweit verbreiteten passt einer ganz besonders in die Vorweihnachtszeit: Der      sog. „freudenreiche“ Rosenkranz. Er behandelt in seinen fünf „Gesätzen“ die Ereignisse um    Geburt und Kindheit Jesu[2]. Ein perfekter Begleiter (nicht nur) durch die Adventszeit.

Die Verkündigung an Maria (Lk. 1, 26-38)

„Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mir dir! Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes Jesus, den Du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast“.

Die feierliche Sprache ist dem Wunder des Geschehens angemessen. Lassen wir uns ruhig ein auf diese leicht verfremdende, poetische Redeweise, denn hier geht es um Unerhörtes, um Niedagewesenes, um eine Epiphanie wie keine andere. Die Menschwerdung Gottes – nicht die Geburt eines Halbgottes oder ähnlichen Mischwesens – wird hier angekündigt. Und als wenn das nicht schon grundstürzend genug wäre, muss auch noch eine junge Frau dazu ihr „ja“ sagen… Nirgends in der Religionsgeschichte und überhaupt der ganzen Menschheitsgeschichte gibt es etwas auch nur entfernt Ähnliches. Wie kann sich Gott so in die Hand der Menschen geben? Wie kann er als Kind in ärmlichen Verhältnissen geboren werden? Ist uns eigentlich klar, was das bedeutet? Lassen wir uns anrühren von der kosmischen Größe des Ereignisses!

Und lassen wir uns die Stimmung nicht verderben von besserwisserischen, schlecht gelaunten und schlecht informierten Kritikern, die sich über dieses Geheimnis[3] mokieren. Was hätten sie damals wohl zu Maria gesagt?

Wir betrachten kontemplativ dieses erste große Geheimnis des Rosenkranzes, versuchen es zu „vergegenwärtigen“. Zugleich dürfen wir aber auch unsere eigenen Hoffnungen, Sorgen, Gedanken mit in die Meditation nehmen. Sind schwangere Mütter in der Verwandtschaft oder unter Freunden und Bekannten? Junge Mütter, die unser Gebet brauchen? Oder solche, die vergeblich auf Kinder warten? Denken wir an sie, beten für sie, stellen sie der Gottesmutter im stillen Gebet vor. Es ist aber auch Raum für andere Gedanken und Anliegen, die uns nicht loslassen. Sie alle können wir „mit ins Gebet nehmen“. Für all das ist Zeit bei der betenden Wiederholung des ersten Geheimnisses. Und denken wir zum Abschluss daran, was die junge Maria für uns und für alle Menschen getan hat, damals, und was sie heute noch tut.


[1]Mit allen zugehörigen Gebeten und theologisch tiefen Betrachtungen sehr zu empfehlen: Josmaría Escrivá de Balaguer. Der Rosenkranz. Adamas Verlag 1976. In etlichen neuen Auflagen erhältlich.

[2]Zur theologischen Erläuterung und zum Verständnis des spirituellen Gehalts der Kindheitsgeschichten vgl.: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog. Die Kindheitsgeschichten. Freiburg, Basel, Wien 2012.

[3]Hierzu auch sehr lesenswert: Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Salz der Erde / Gott und die Welt. Gespräche mit Peter Seewald. S. 548 ff.