Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir! Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus, der für uns das schwere Kreuz getragen hat.

Die Hinrichtung war öffentlich; nach der Zurschaustellung des Gegeißelten musste er auch noch das Hinrichtungsinstrument[1] durch die Straßen der Stadt tragen, hinaus auf den Richtplatz[2]. Das diente der Abschreckung, im Falle Jesu wohl auch zur Befriedigung der aufgehetzten Menge. Ein wahrer Spießrutenlauf… Geschwächt durch die furchtbare Auspeitschung brach Jesus mehrmals unter der Last zusammen, so dass ein eigentlich unbeteiligter, nichtsahnender Passant gezwungen wurde, ihm beim Tragen der Last zu helfen. Dieser Simon von Kyrene[3] war sicher zuerst entsetzt und schockiert; er sah sich von den Schergen zu schlimmer Knechtsarbeit genötigt. Im Nachhinein aber hat er erkannt, welch einzigartiges, wunderbares Privileg ihm dadurch zuteil wurde: Dem Erlöser beim Tragen der Kreuzeslast zu helfen…!

So wie diese Begegnung trugen noch andere Stationen dieses Kreuz-Wegs[4] dazu bei, dass der übel gemeinte, vermeintlich schändliche Gang zum Schafott auf geheimnisvolle Weise dem triumphalen Einzug Jesu nach Jerusalem entsprach, in einem tieferen Sinne. Wie viele der Menschen, die Jesu Leidens-Weg durch Jerusalem säumten, haben sich wohl später bekehrt und wurden Mitglieder der ersten christlichen Gemeinde?[5]

Das Tragen des Kreuzes hat Jesus zweifellos noch weiter verwundet und geschwächt. Mit letzter Kraft, die aus dem Willen des Erlösers kam, hat er es bis nach Golgotha geschafft. Und für Zeit und Ewigkeit steht das Tragen des Kreuzes sichtbar dafür, dass Jesus Christus die Schuld der Menschen auf sich nahm. Damals ging vielen auf, dass sich die Worte des Propheten Jesaja[6] erfüllt hatten: „Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt“.

Denken wir daran, wenn wir unser eigenes „Kreuz“ zu tragen haben; und das bleibt ja keinem unter uns erspart, auch nicht den Glücklichsten und Erfolgreichsten. Angst und Leid sind, bis zu einem gewissen Grade, Teil jedes menschlichen Lebens, auch wenn es nicht immer so extrem wird, wie bei Jesu Gang nach Golgotha. Wir müssen uns jedenfalls nicht mehr von Alltagssorgen, Furcht und Lebensangst entmutigen lassen. Ein großer Heiliger unserer Zeit hat es auf den Punkt gebracht: „Werde nicht mutlos unter dem Kreuz. Resignation ist ein wenig großzügiges Wort. Liebe das Kreuz!“[7]. Was zunächst paradox klingt, enthält doch die ganze christliche Erlösungshoffnung. Hinzu kommt, auch für Verzagte, die immer tröstliche Erfahrung: „…mit Sicherheit wirst Du, wie Er, Maria auf dem Weg begegnen.“[8]


[1]Das kann das ganze Kreuz gewesen sein, oder nur der Querbalken, der dann an einem im Boden eingelassenen, fest verankerten Pfahl hochgezogen wurde.

[2]Golgotha oder Golgatha, „Schädelhöhe“; vgl. Mt. 27, 33. Die Hinrichtungsstätte lag sichtbar auf einem Hügel am Weg in die Stadt Jerusalem; zur Zeit Jesu außerhalb des Mauerrings. In das ummauerte Stadtgebiet wurde der Ort erst im zweiten Jh. n. Chr. einbezogen. Heute steht dort die Grabeskirche.

[3]Latinisiert auch Simon von Cyrene (woraus in der Übertragung zuweilen Zyrene wird). Er und seine Söhne waren später als Mitglieder der ersten Christen-Gemeinde bekannt (Mk. 15, 21). Vgl. a:  https://erziehungstrends.info/kreuzweg-5

[4]Vgl. insgesamt zum Kreuzweg: https://erziehungstrends.info/via-crucis-eine-spirituelle-entdeckungsreise

[5]Vgl. a. die Wirkung der Pfingstpredigt des Petrus, Apg. 2, 37 ff

[6]Jes. 53, 5b

[7]Josemaría Escrivá de Balaguer: Der Rosenkranz. Köln, 2. Aufl. 1976. Die schmerzensreichen Geheimnisse, Nr. 4.

[8]Ebd.